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Die zweite Todsuende

Die zweite Todsuende

Titel: Die zweite Todsuende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Sanders
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einzigen, die Sie suchen!»
    Sie starrte verständnislos.
    «Der Mörder sucht Sie auch. Der liest nämlich auch die Zeitung, der hat auch einen Fernsehapparat. Und er fürchtet, Sie haben ihn gesehen und erkannt. Und deshalb sucht er Sie. Er weiß nicht, daß unser tüchtiger Jason Sie schon am Montag früh entdeckt hat, daß wir Sie bereits gefunden haben. Deshalb wird er weitersuchen nach Ihnen. Der Mörder.»
    «Na und? Wie soll er mich finden?»
    Delaney blickte sie bewundernd an. Die Frau hatte Nerven!
    «Weil ich es ihm sage.»
    Er sah, wie das Gesicht sich unter der dicken Schminkschicht verkrampfte. Sie riß die Augen auf, verzog die Lippen zu einer Grimasse. Der Goldzahn blinkte.

    «Du?»
    «Nun, nicht direkt. Aber bedenken Sie, die Presse sitzt uns im Nacken, das Fernsehen läßt uns keine Ruhe. Dauernd heißt es: Haben Sie endlich die Frau oder das Mädchen gefunden? Schließlich haben wir die Bilder Ihnen zu Gefallen gebracht, also wo stecken die beiden? Tja, und da muß ich ihnen denn wohl sagen, daß wir euch gefunden haben. Sie, und mit Ihrer Hilfe auch das Mädchen. Und dann sage ich, wo Ihr wohnt.»
    Sie begriff; deutlicher brauchte er nicht zu werden.
    «So was tust du mir an?»
    «Oh, gewiß, das tue ich.»
    «Du bist kein netter Mann.»
    «Nein», stimmte Delaney zu, «das bin ich nicht.»
    Ganz plötzlich brach ein Schwall spanischer Wörter aus ihr hervor, und der Chief konnte leicht vermuten, daß es sich um Verwünschungen handelte. Und auf englisch gellte sie: «Egal is mir das! Soll er kommen! Soll er mich totmachen!»
    Er wartete, bis der Anfall vorüber war, bis sie verstummte, auf den Stuhl sank, ihn anfunkelte, halblaut vor sich hin murmelte. Er konnte sich leisten zu warten, er hatte den Schlüssel zu dieser Person.
    «Und nicht bloß Sie», setzte er fort, «sondern auch Dolores. Er wird auch Dolores töten.»
    Sie stierte ihn noch einen Moment wild an, dann war es aus mit ihrer Fassung. Weinen tat sie nicht, doch der Finger, mit dem sie auf das Pressefoto von Geltman deutete, zitterte.
    «Der da», sagte sie leise. «Auf der Treppe. Ich und Dolores gehen runter, er kommt rauf. Der da. Wir sehen ihn, er sieht uns. Das ist er.»
    Nun saßen sie wieder in Boones Wagen, ringsum nahm das Gedränge zu, immer mehr Straßenhändler machten ihre Stände auf, aus der ganzen Stadt strömten Leute in die Orchard Street, auf der Suche nach Gelegenheitskäufen; es war ja Samstagnachmittag. Delaney saß wieder hinten, eine unangebrannte Zigarre zwischen den Fingern.
    «Ich würde gern mal was fragen, Chief», sagte Jason T. Jason, ohne sich umzudrehen.
    «Nur zu», versetzte Delaney einladend. «Jederzeit.»
    «Hätte sie auf den Fotos niemand erkannt, hätten Sie dann ihre Adresse bekanntgegeben, wie Sie ihr angedroht haben?»
    «Aber klar. Und zugleich hätte ich sie unter Dauerbewachung gestellt. Ich hätte sie als Köder benutzt, und er wäre aus dem Bau gekommen.»
    «Donnerwetter», sagte Jason. «Man lernt jeden Tag was Neues dazu. Aber nun haben wir ihn ja.»
    Sergeant Boone machte ein undefinierbares Geräusch.
    «Stimmt was nicht, Sergeant?» fragte Jason arglos.
    «Wir haben ihn keineswegs.»
    «Was denn - haben ihn nicht?» Der schwarze Polizist war empört. «Sie hat ausgesagt, daß er zur Tatzeit am Tatort gewesen ist, das habe ich doch selber gehört!»
    «Ja, schon, damit und mit einem halben Dollar kannst du dir einen Fahrschein für die U-Bahn kaufen.»
    «Es reicht nicht», setzte Delaney dem staunenden Schwarzen auseinander. «Angenommen, wir gehen damit zur Staatsanwaltschaft. Verlangen, daß gegen Geltman Anklage auf Mord erhoben wird. Gut. Jetzt fragt man uns: Was liegt gegen ihn vor? Und wir sagen: eine ältliche puertorikanische Nutte hat ausgesagt, sie ist ihm ungefähr zur Tatzeit in der Nähe des Tatorts begegnet. Schön, heißt es, und was weiter? Weiter nichts, sagen wir. Da fallen die vor Lachen vom Stuhl, und dann schmeißen sie uns raus. Wir können nichts gegen ihn vorbringen, Jason. Man kann nicht jemand wegen Mordes anklagen, bloß weil er zur Tatzeit in der Nähe des Tatorts war. Wo ist die Mordwaffe? Was ist sein Motiv? Wo sind die unwiderleglichen Beweise? Der Sergeant hat recht: wir haben nichts.»

    Jason sah mit gerunzelter Stirn von Delaney zu Boone und zurück. «Heißt das, der Bursche geht uns durch die Lappen?»
    «Keineswegs», belehrte ihn Delaney. «Das habe ich nicht gesagt. Der geht uns nicht durch die Lappen. Er glaubt vermutlich, er schafft's,

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