Die zweite Todsuende
Wiesel, aber sie kennen sich aus.»
«Hören Sie zu: Sie und Jason …» Und er befahl Boone einen Treff mit Wolfe bei Gericht zu verabreden, sich von ihm die Namen einschlägiger Kunsthändler geben zu lassen und diese anschließend über Geltmans Finanzlage auszufragen. «Die Konkurrenz redet im allgemeinen nur allzugern über die Verhältnisse ihrer Rivalen», sagte er zu Boone. «Sie und Jason teilen sich in die Befragung. Nehmen Sie sich so viele Kunsthändler vor als möglich. Setzen Sie Jason so weit ins Bild, daß er weiß, worum es geht. Ich bin den größten Teil des Tages unterwegs, aber am späteren Nachmittag erreichen Sie mich wieder zu Hause. Falls ich noch nicht da sein sollte, bleiben Sie mit Jason hier und warten auf mich. Monica läßt euch rein.»
«Verstanden, Chief. Glauben Sie, wir schnappen ihn?»
«Keine Frage», behauptete Delaney mit mehr Zuversicht, als er fühlte.
Als nächster stand J. Julian Simon auf seiner Liste. Susan Hemley war am Apparat, und er zwang sich dazu, ein wenig mit ihr zu plaudern. Schließlich fragte er: «Glauben Sie, der große Mann könnte mich heute vormittag empfangen?»
«Leider nein, Mr. Delaney. Mr. Simon hat heute vormittag bei Gericht zu tun.»
«Lieber Himmel», ächzte Delaney, «geht denn heute morgen alle Welt aufs Gericht?»
«Wie bitte?»
«Schon gut, achten Sie nicht darauf, sagen Sie mir nur, ob er im Laufe des Tages irgendwann im Büro erwartet wird.»
Er hörte, daß Mr. Simon spätestens zwischen drei und vier im Büro sein wolle. Delaney sagte, er werde dann auf gut Glück vorbeikommen; hoffentlich habe der Anwalt ein paar Minuten für ihn übrig. Das alles in höchst achtungsvollem Ton.
Die widrigen Umstände nötigten ihn, unangekündigt bei Belle Sarazen einzudringen, die Reihenfolge war nicht mehr einzuhalten. Dazu traf er etwas sonderbare Vorkehrungen.
Er wühlte in der bekannten Küchenschublade mit dem chaotisch umherliegenden Werkzeug, bis er einen Umschlag mit Dichtungen fand, wie man sie für Wasserhähne benutzt. Er brauchte nicht die Dichtungen, sondern die Verpackung aus festem, durchsichtigem Papier. Der Umschlag bestand nicht wirklich aus Glassin, mochte aber seinen Zweck erfüllen. Die Dichtungen ließ er in das Chaos in der Schublade fallen und füllte den Umschlag mit gewöhnlichem Puderzucker. Dann faltete er ihn zweimal am oberen Rand und verschloß ihn mit durchsichtigem Klebestreifen.
Dieses winzige Päckchen tat er in die Jackentasche, überlegte dabei, ob er eine Pistole brauche, entschied sich aber dagegen. Dann stülpte er den Strohhut auf und stampfte zur First Avenue hinüber, auf der Suche nach einem Taxi. Auf die Morgenzigarre verzichtete er heroisch.
Der Portier erkannte ihn entweder wieder, oder irgend was an Delaneys Auftreten ließ es ihm geraten erscheinen, diesen auf nicht genau zu definierende Weise bedrohlich wirkenden, massigen Mann ungehindert passieren zu lassen. Wie dem auch sei, Delaney erreichte unangefochten den Aufzug, und wie gewöhnlich öffnete der philippinische Diener Ramon ihm die Tür.
«Ja, bitte?»
«Ist Miss Sarazen zu Hause?»
«Werden Sie erwartet?»
«Fragen Sie sie doch.»
Ramon war unschlüssig, ließ Delaney dann aber eintreten.
«Bitte warten Sie», sagte er und verschwand.
Delaney blieb nicht in der Diele, vielmehr ging er unaufgefordert ins Wohnzimmer, das in jener Schattierung von grau und violett gehalten war, für die er keinen Namen wußte. Er sah sich verstohlen um und schob dann den kleinen Umschlag, den er in der Tasche bei sich getragen hatte, unter ein Sesselpolster. Sodann nahm er Aufstellung vor einem Stuhl aus Peddigrohr und rührte sich nicht mehr. Er wartete geduldig, den Hut in der Hand.
Miss Sarazen glitt herein, angetan mit einer weiten Robe, die sie umflatterte, und die von oben bis unten mit einem groben Reißverschluß geschlossen war, wie man ihn zu industriellen Zwecken benutzt. Auf- und zuziehen tat sie ihn mit der Trillerpfeife eines englischen Bobby, die am Verschluß befestigt war.
Man sah, daß sie unmittelbar aus dem Bad kam; das feine, silbrig schimmernde Haar war ganz naß und lag eng am Kopf. Ihre Gesichtshaut glänzte, aus der Robe wölkte süßlicher Seifenduft. Sie ließ ihm aber wenig Zeit, sie zu bewundern, denn sie war alles andere als erfreut, ihn zu sehen und ging sogleich zum Angriff über.
«Hören Sie mal, nachgerade wird mir das zuviel! Dauernd diese Scheiße! Ich verlange -»
«Welche Scheiße meinen Sie, bitte
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