Die zweite Todsuende
Talent hatte, setzte er ihm eine Art Gehalt aus. Und da ist das meiste Geld denn auch hingegangen.»
«Herr im Himmel, das ist wirklich unglaublich», staunte Delaney.
«Glauben Sie es ruhig, es stimmt nämlich. Einige Maler, die er unterstützte, sind mir bekannt. Wollen Sie sie befragen?»
«Nein», sagte Delaney gedehnt. «Ich glaube Ihnen. Hat Geltman davon gewußt?»
«Weiß ich nicht, nehme ich aber nicht an.»
«Und Maitlands Frau?»
«Die bestimmt nicht. Der hat er nie was gesagt.»
«Kommen wir noch mal auf die Bilder zurück, die Sie für ihn verkauften. Ist Geltman dahintergekommen?»
«O ja, das ließ sich auf die Dauer nicht vermeiden. Die Kunstszene ist eine recht kleine Welt. Jeder kennt jeden. Die Leute reden, und nichts läßt sich lange geheimhalten.»
Sie erzählte, daß Geltman, der bei Sotheby in London auf einer Auktion gewesen war, bei einer anschließenden Party gehört hatte, wie jemand damit prahlte, er habe soeben einen Maitland um einen Spottpreis erworben. Geltman brachte es fertig, von dem Käufer in dessen Wohnung gebeten zu werden und sah das Bild dort. Er wußte natürlich gleich, daß es nie in seiner eigenen Galerie gehangen hatte. Wieder in New York, machte er Maitland deswegen die Hölle heiß; er warf ihm vor, ihn nicht nur um seine Kommission zu betrügen, sondern den Preis für seine Bilder zu drücken. Maitland selbst hatte Belle davon erzählt und hinzugefügt: «Soll das Arschloch doch der Teufel holen! Der verdient für den Rest seines Lebens an mir. Wie kommt er dazu, sich darüber zu beklagen, daß ich meine eigenen Bilder selber verkaufe? Ich brauche den Kerl nicht, ich brauche überhaupt niemand.»
«Sie verkauften auch danach noch seine Bilder?» fragte Delaney.
«Aber ja, daran ist doch nichts Ungesetzliches?»
«Nein, ungesetzlich war das nicht. Aber sagen Sie mir eines: Von wann waren die Bilder datiert, die Maitland Ihnen gab?»
«Lauter frühe Sachen. Vor zwanzig Jahren entstanden. 1957 und 1958. So in der Drehe. Aber nicht schlechter als seine neuesten Arbeiten. Man sah keinen Unterschied.»
«Es gibt auch keinen.»
Sie schaute ihn erstaunt an. «Das sage ich ja.»
Er nickte und stand auf. Mehr brauchte er nicht zu hören. Aber dann blieb er doch noch einen Moment.
«Warum haben Sie uns das nicht gleich anfangs erzählt, Belle?»
«Weil ich in nichts verwickelt werden möchte», sagte sie und reckte das Kinn vor.
Er hob resigniert die Schultern. Diesmal war sie es, die ihn zurückhielt. «Mr. Delaney, ich hoffe, Sie haben nicht auch anderswo in der Wohnung Rauschgift versteckt?»
«Aber Belle», tadelte er sie lächelnd, «Sie trauen mir doch hoffentlich nicht zu, daß ich die Gesetze übertrete?»
Die Menschen - man erlebte doch immer wieder Überraschungen mit ihnen. Zu diesem ernüchternden Resultat gelangte er auf seinem Weg durch den Central Park von Beiles Wohnung zur East Side. Er stapfte recht schwerfällig dahin, ein wenig vorgebeugt, den Strohhut zum Schutz gegen die Sonne tief in der Stirn.
Was ihn so überraschte, ja eigentlich recht schockierte, war, wie Victor Maitland, den baldigen Tod vor Augen, über sein Vermögen disponierte. Daß dieser streitsüchtige, bösartige Grobian solch anonymer Großmut fähig gewesen war, wirkte auf Delaney als läse er, daß der Hunnenkönig Attila ein Heim für ledige Mütter unterhalten habe.
Er nahm den Lunch beim Zoo im Central Park, aß ein paar Würstchen, trank ein Bier, dann dasselbe noch mal, alles sehr gemächlich, und hörte mit einem Ohr auf das Kreischen und Trompeten der Tiere in ihren Käfigen. Dies war so recht der Ort, den Fall einmal im ganzen zu überblicken, diesen Fall, der exemplarisch war für die Habgier seiner Mitmenschen.
Victor Maitland mußte sterben, so resümierte Delaney, weil er schon zu lange gelebt hatte. Ja, so war es. Hätte er nur drei oder vier Jahre vor sich gehabt, wie Dr. Horowitz prognostizierte, der Steuerbetrug wäre nie aufgekommen, Saul Geltman hätte jährlich mit einem guten Profit von den gelagerten Bildern rechnen können, Alma und Ted Maitland wäre aus den Verkäufen der letzten Bilder ein schönes Erbteil geblieben, Dora und Emily Maitland hätten ihre Besitzung instandsetzen lassen können, und alle Beteiligten wären zufrieden und glücklich gewesen, und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute …
Der streitbare Halunke wollte aber nicht ins Gras beißen, starb jedenfalls nicht an seiner Krankheit. Er lebte und lebte
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