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Die zweite Todsuende

Die zweite Todsuende

Titel: Die zweite Todsuende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Sanders
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Tür zum Vorzimmer. Sehen Sie mir jetzt zu, ich spiele Saul Geltman …»
    Der Chief stand auf, ging raschen Schrittes zu der Tür mit der Milchglasscheibe, schloß auf, trat in den Korridor und winkte Simon abschiednehmend zu.
    «Bis später», sagte er dabei fröhlich.
    Dann kam er zurück ins Büro, schloß hinter sich ab und nahm wieder Platz.
    «Seit Geltman um zehn Uhr hier eintrat, wurde er nicht mehr gesehen. Nicht von Susan Hemley, nicht von dem Boten des Delikatessengeschäfts. Von niemand. Das haben wir nachgeprüft.»
    «Ich habe ihn gesehen», krächzte Simon. «Er war die ganze Zeit über hier.»
    «So? Na, halten Sie sich meinetwegen an diese Aussage, aber wir kriegen Sie am Arsch, ich verspreche es. Sie werden vor die große Strafkammer geladen. Man wird Sie durchleuchten, nach allen Richtungen. Ihr Bild in den Abendzeitungen und im Fernsehen - das Gesicht hinter einer Zeitung versteckt. Haben Sie wirklich so großen Appetit darauf? Wollen Sie das alles Ihrer Freundschaft zu Geltman wegen auf sich nehmen?»
    «Geltman ist mein Mandant. Sie haben kein Recht -»
    «Kein Recht? Ich kein Recht! Hören Sie auf, mir solchen Scheißdreck vorzuquasseln, Sie elender Winkeladvokat! Glauben Sie vielleicht, wir kennen Ihre Vorstrafen nicht? Wir wüßten nicht, daß Sie um Haaresbreite aus der Anwaltskammer ausgeschlossen worden wären? Kommen Sie mir ja nicht mit Ihrem beschissenen Berufsgeheimnis. Von Ihrem Mandanten ist jetzt nicht die Rede, sondern allein von Ihnen, von Verdunkelungsgefahr, von Meineid ist die Rede, von Beihilfe zum Mord! Da staunen Sie, was?»

    «Alles Vermutungen!» brüllte Simon. «Nichts als wilde Spekulationen! Sie denken wohl-»
    «Ich habe einen Augenzeugen!» unterbrach ihn Delaney triumphierend. «Einen Augenzeugen, der Geltman zur Tatzeit nahe dem Tatort gesehen hat, als er angeblich hier mit Ihnen Sandwiches gegessen und Limonade getrunken hat. Ein Augenzeuge! Bedenken Sie mal, was das heißt, ein respektabler Mensch, ein angesehener Mensch, ein Mensch von Reputation, der Geltmans Bild auf Anhieb aus zwölf anderen herausgefischt hat und der beschwören wird, ihn zur Tatzeit dort gesehn zu haben. Und wir haben Beweise. Ist Ihre Freundschaft Ihnen so viel wert? Denken Sie nach, Mann, geben Sie Ihrem Hirn mal einen Stoß! Sie wissen, noch ist Zeit, einen Handel zu schließen. Gehen Sie beiseite, bevor die Lawine kommt, die rollt nämlich schon, und Sie wissen es. Aufhalten können Sie sie nicht. Falls Sie Ihre blöde Aussage unter Eid wiederholen, werden Sie untergemangelt mitsamt Ihren Spy-Karikaturen und Ihren eichenen Bücherregalen und all dem hübschen Spielzeug hier - davon bleibt nichts. Nichts!»
    Delaney stand abrupt auf.
    «Ein Augenzeuge», wiederholte er leise. «Einer, der ihn gesehen hat. Bedenken Sie das. Nun denn, denken Sie in Ruhe darüber nach, und falls Sie Ihre Aussage abändern wollen, weil Ihnen einfällt, daß Sie sich geirrt haben könnten, daß Geltman vielleicht doch eine oder zwei Stunden aus Ihrem Büro abwesend war, rufen Sie einfach an. Meine Nummer steht im Telefonbuch. Lassen Sie sich Zeit. Ich bin ein geduldiger Mensch. Und Geduld habe ich gelernt, als ich Stunden und Stunden in Vorzimmern von Anwälten herumsaß. Geben Sie acht auf sich, und damit wünsche ich Ihnen einen schönen guten Tag.»
    Er hinterließ einen zerrüttet aussehenden, in seinem Sessel zusammengesunkenen J. Julian Simon hinter seiner mit Leder bespannten Schreibtischplatte, ein Cocktailglas in bebenden Fingern. Delaney trat rasch aus dem Gebäude und wandte sich dem nördlichen Ende der East 68th Street zu. Er marschierte einen halben Block nach Westen, Richtung Fifth Avenue, und bezog Posten im Schatten einiger Bäume, hinter geparkten Autos; hier hatte er Deckung, konnte aber den Eingang zu dem Bürohaus beobachten, aus dem er soeben gekommen war.
    Er berechnete, daß J. Julian Simon gut zehn Minuten brauchen würde, sich so weit zu fassen, daß er nach einem weiteren Drink Geltman in dessen Galerie an der Madison anrufen und ihm sagen könnte, der Himmel stürze ein. Es vergingen aber fast zwanzig Minuten, bevor der kleine Kunsthändler um die Ecke getrabt kam, außer Atem in seiner Eile. Er wetzte ins Gebäude und Delaney machte sich gemächlich auf den Heimweg, eine frisch angebrannte Zigarre im Mund. Er gestand sich ein, daß er nicht genau wußte, worauf er eigentlich ausgewesen war, einen scharf umrissenen Plan hatte er nicht. Doch Saul Geltman sollte es mit der Angst

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