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Die zweite Todsuende

Die zweite Todsuende

Titel: Die zweite Todsuende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Sanders
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und lebte. Derweil trockneten massenhaft herrliche Bilder in der Scheune in Nyack. Delaney nahm an, daß Maitland schließlich dachte: machen wir ein paar davon zu Geld und amüsieren uns, solange noch das Lämpchen glüht. Es gab ja eine Masse Bilder dort, und ob es nun zehn oder zwanzig mehr oder weniger waren, darauf kam es am Ende nicht an …
    Einem aber kam es sehr darauf an, Saul Geltman nämlich. Der setzte alles daran, die Preise für Maitlands Bilder hochzuhalten und fütterte den Markt nur spärlich. Und die Gemälde in der Scheune waren schließlich nicht nur das Erbe von Mutter und Schwester Maitlands, sondern auch sein eigener Anteil. Zwanzig Jahre konnte er allein von den Kommissionen aus deren Verkauf leben. Was hatte Belle doch gesagt? Wie hatte Maitland sich ausgedrückt? ‹Soll das Arschloch doch der Teufel holen, der verdient für den Rest des Lebens an mir.›
    Als Geltman dann von den heimlichen Verkäufen erfuhr, kam alles ins Rutschen. Zum einen sah er sich um seine Kommission gebracht. Zum anderen mußten die Marktpreise fallen, und das war fast noch schlimmer. Von steigender Nachfrage konnte keine Rede sein, wenn die Interessenten sich nur an die Sarazen zu halten brauchten, um einen billigen Maitland zu kaufen. Und dabei lebte der Maler immer noch! Der Hund war springlebendig! Und arbeitete, malte ein Bild nach dem andern wie vom Fließband. Es wurde Zeit, den Hahn zuzudrehen. So etwa, mutmaßte Delaney, dürfte Geltman überlegt haben: es wird Zeit, den Hahn zuzudrehen. Victor Maitlands Tod war die gegebene Lösung.
    Der Chief betrat das Büro von Simon & Brewster strahlenden Gesichts. Doch die verbindliche Susan Hemley saß nicht an ihrem Tisch, sondern statt ihrer ein ungelenker, bebrillter junger Mensch mit grauer Hautfarbe. Der Tisch war abgeräumt; der junge Mann saß wie an seinen Stuhl geleimt, die Hände so verkrampft auf der Schreibtischunterlage gefaltet, daß die Knöchel weiß schimmerten.
    «Sie wünschen?» fragte er kalt.
    «Ist Miss Hemley nicht da?»
    «Nein.»
    «Dann vielleicht Mr. Simon? Ich habe eine Verabredung. Meine Name ist Delaney.»
    «So?»
    «Ja. Von der Kriminalpolizei.»
    «Ah. Einen Moment bitte.»
    Er stand mit einem Ruck vom Stuhl auf, klopfte hart an die Tür zu Simons Büro, ging hinein ohne eine Aufforderung abzuwarten und knallte die Tür hinter sich zu. Gleich darauf kam er finsteren Gesichts wieder zum Vorschein.
    «Mr. Simon wird Sie sogleich empfangen. Nehmen Sie Platz.»
    Beide saßen stumm, bemüht einander nicht anzustarren.
    «Sind Sie ebenfalls Anwalt?» fragte Delaney schließlich.
    «Nein», versetzte der junge Mensch verbissen. «Ich bin hier als juristische Hilfskraft angestellt.»
    Offenbar paßte es nicht in sein Berufsbild einer juristischen Hilfskraft, daß er Mandanten abzufertigen hatte. Delaney glaubte, der Jüngling werde entweder zu schreien anfangen oder in Tränen ausbrechen, sollte er ihm sein Mitgefühl ausdrücken. Er blieb also stumm, balancierte den Strohhut auf den Knien und erduldete das lange, wortlose Warten; augenscheinlich wollte Mr. Simon zeigen, für wie bedeutend er sich hielt.
    Schließlich, nach zwanzig Minuten, kam er geschäftig aus seinem Büro, beide Hände ausgestreckt, die blitzend weißen Zähne gebleckt.
    «Tut mir leid, daß Sie warten mußten.» Eine Erklärung hielt er wohl für überflüssig.
    «Ich habe es nicht eilig», erwiderte Delaney gelassen. «Gottes Mühlen mahlen langsam, wie Sie wissen.»
    Simon wirkte wie üblich frisch lackiert und geölt. Der Tag bei Gericht hatte seinen Bügelfalten nichts anhaben können, auch seine Frisur war vorbildlich, sein gepflegtes Bärtchen einwandfrei. Heute trug er ein weißes Hemd mit blauen Punkten, dazu einen kastanienfarbigen Schlips aus gestrickter Seide, der Anzug war marineblaues Leinen, die Knöpfe weiß, die schmalen, hohen Revers wirkten wie Stabilisatoren.
    Er führte den Chief in sein Büro, bot ihm einen Sessel an, erkundigte sich teilnahmsvoll nach der Gesundheit seines Besuchers, stellte die Jalousien so, daß das Licht des Spätnachmittags nicht blendete, und bot zu Trinken an. Als dies abgelehnt wurde, bereitete er sich selber an der hübschen kleinen Hausbar einen Drink mit der Umsicht eines irren Alchimisten, der ein Lebenselixier mischt. Delaney kam es so vor, als sei dies heute nicht sein erster Drink.
    «Fünf Stunden im Gericht», tönte der Anwalt. «Endlose Verzögerungen. Ah, diese Langeweile! Aber das alles kennen Sie

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