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Die zweite Wirklichkeit

Die zweite Wirklichkeit

Titel: Die zweite Wirklichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vampira VA
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Wyan-dos kannte, den allein das Tier gewußt hatte.
    Creeaa.
    Und so übernahm nun also Lilith, vielleicht noch unwissentlich, die Aufgabe, die einst jene des Adlers gewesen war: Sie war der »Blitzableiter« für Wyandos dunkle Begierde, sorgte mit ihrer Gegenwart und dem, was sich in ihr verbarg, dafür, daß der Arapaho nicht zu einem Vampir jener Art wurde, die Menschen nur als Opfer ansah und sich nach dunkler Herzenslust an ihnen gütlich tat.
    Wie zum Ausgleich für diesen Dienst würde er ihr helfen, ihrer Bestimmung gerecht zu werden: Er würde an Liliths Seite die überlebenden Vampire aufspüren, auf daß sie sich an ihrem Blut laben konnte, ehe sie deren Dasein ein für allemal beendete. Denn das war es, was ihr von höchster Stelle aufgetragen worden war: Tod den Vampiren! Eine Aufgabe, die von Anfang vor allem eines für Lilith bedeutet hatte: Fluch .
    Hidden Moons Gedanken glitten zurück ins Hier und Jetzt. Lächelnd stützte er sich auf den linken Ellbogen, um Lilith zu beobachten. Ihr Anblick genügte, um eine Glut in ihm zu schüren, die in ihrer Gegenwart nie wirklich vergehen konnte. Heiß flammte es in seinen Lenden auf, und nichts hätte er lieber getan, als Lilith jetzt zu wecken, um jenes Feuer gemeinsam mit ihr zu löschen.
    Aber er bezähmte sich. Genoß den süßen Schmerz, den die Selbstbeherrschung ihm bereitete.
    Seine Finger zeichneten die weichen Linien ihres betörend schönen Gesichtes nach, ohne ihre Haut zu berühren; Millimeter davon entfernt fuhren sie darüber. Gleiches tat er mit den Rundungen ihres begehrenswerten Körpers, von dem das Laken gerutscht war. Gazeartige Schwärze umflorte ihren bleichen Leib, wie ein Nachtgewand, das nicht von dieser Welt und nur für sie allein geschaffen war: der Symbiont, den sie niemals ablegen konnte, weil er sie nicht nur kleidete, sondern sich auch von ihrem Blut ernährte.
    Dann hielt es den Arapaho doch nicht länger.
    Behutsam ließ er sein Gesicht dem ihren entgegensinken, verharrte kaum eine Fingerbreite über ihren Lippen, um sich allein schon zu berauschen an ihrem Atem. Mild wie eine laue Sommerbrise mußte er sein Gesicht streifen .
    Doch er tat es nicht.
    Nichts geschah.
    Weil Lilith - nicht atmete?
    Von einem Sekundenbruchteil zum nächsten spannte sich der rotbraune Leib des Arapaho. Alarmiert sah er seine Gefährtin an, zögerte nicht länger, sie nun wirklich zu berühren. Er forschte nach ihrem Atem, ihrem Puls und fand - - nichts.
    Wie tot lag Lilith neben ihm.
    Wirklich nur wie tot ...?
    *
    Sydney, Australien?
    Lilith glaubte den Telefonhörer kaum aufgelegt zu haben, als es auch schon an der Tür ihres Zimmers klopfte und Marsha eintrat, ohne auf ein »Herein!« zu warten.
    Einen Moment lang sah Lilith verwirrt drein, doch dann gelangte sie zu der Überzeugung, daß sie wohl nur in Gedanken versunken gewesen war in den letzten Minuten und deshalb nicht gemerkt hatte, daß die Zeit vergangen war.
    »Lilith ...«, sagte Marsha. Sie war ein wenig kleiner als ihre Freundin, und die Natur hatte bei ihr im Vergleich zu Lilith noch einiges aufzuholen. Was nicht hieß, daß Marsha keine Schönheit gewesen wäre. Im Gegenteil, manchmal hätte Lilith gerne mit ihr getauscht, weil Marsha von einer mädchenhafteren Grazie war als sie.
    Und in dieser Nacht hätte sie es gerne noch aus einem ganz anderen Grund getan .
    »Ich bin so froh, daß du da bist.«
    Lilith flog der Freundin fast entgegen und schlang die Arme wie eine Ertrinkende um sie.
    Marsha ließ sie ein paar Sekunden gewähren, dann drückte sie Li-lith sanft von sich, sah ihr fest ins Gesicht - und erschrak ein klein wenig: Die Linien darin schienen fortwährend zu zucken wie bei ei-nem Nervenleiden, und der Glanz ihrer Augen rührte sicher nicht allein von den darinstehenden Tränen her.
    Zunächst schweigend zog Marsha ihre Freundin aufs Bett, nahm neben ihr Platz, ohne sie loszulassen. Erst dann sagte sie: »So, und nun erzähle.«
    Und Lilith erzählte.
    Alles, was geschehen war, und alles, was scheinbar geschehen war seit heute morgen - oder eigentlich schon seit gestern abend, als sie die Augen geschlossen und zu träumen begonnen hatte. Sie sprach lange, und Marsha unterbrach sie mit keinem Wort. Nur hinter den Zügen der Freundin breitete sich etwas aus, das wie eine Maske durch ihr wirkliches Gesicht hindurchschimmerte - eine Maske, die Grauen und Entsetzen ausdrückte. Und ganz leise Zweifel ...
    »Du glaubst mir nicht, stimmt's?«
    Marsha schrak zusammen. Erst

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