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Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann

Titel: Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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Münzen reicher als bei meinem Weggang. Ich war ein Dummkopf. Ich hätte ebenso viel verdient, wäre ich daheim geblieben, um Räucherfisch und Junghennen zum Markt zu bringen.«
    Ich hatte seinem atemlosen Wortschwall zugehört, ohne ihn zu unterbrechen. Er musste seiner Enttäuschung Luft machen.
    Vor der Tür angekommen steckte er den Kopf in das Wasserfass, das ich gefüllt hatte, um später den Garten zu gießen. Ich ging hinein, um den Tisch zu decken. Er trat ins Haus und schaute sich um, und ohne dass er etwas sagen musste, wusste ich, in seinen Augen war es kleiner geworden. »Gut, wieder daheim zu sein«, sagte er und im selben Atemzug: »Aber ich weiß jetzt nicht mehr, wie ich das Lehrgeld zusammenbekommen soll. Wenn ich mich noch ein Jahr verdinge, könnte man glauben, ich sei schon zu alt, um ein Handwerk vernünftig zu lernen. Ein Mann, den ich unterwegs getroffen habe, hat mir gesagt, er kennt keinen Handwerksmeister, der nicht spätestens mit zwölf Jahren in der Lehre war. Ist das Honig?«
    »Ja.« Ich stellte das Krüglein auf den Tisch, das Brot und das kalte Fleisch, und Harm stürzte sich darauf, als hätte er seit Tagen nichts gegessen. Ich goss Tee auf, setzte mich dann zu dem Jungen und ließ ihn essen. Ausgehungert wie er war, fütterte er trotzdem den Wolf unter seinem Stuhl mit Fleischstücken. Und Nachtauge fraß, nicht mit Appetit, aber um dem Jungen eine Freude zu machen und zum anderen, weil es darum ging, mit einem Mitglied des Rudels die Beute zu teilen. Als von dem Vogel nur noch das Gerippe übrig war und daran nicht einmal mehr genügend Fleisch für eine Suppe, lehnte er sich aufseufzend zurück, doch nur um sich sogleich wieder vorzubeugen und mit dem Finger den in die Tischplatte geschnitzten Rehbock nachzuzeichnen. »Das ist prachtvoll! Wann hast du gelernt, so meisterhaft mit dem Schnitzmesser umzugehen?«
    »Gar nicht. Ein alter Freund ist zu Besuch gekommen und hat sich zwischendurch die Zeit damit vertrieben, unsere Behausung zu verschönern.« Ich schmunzelte. »Wenn du einen Moment übrig hast, dann wirf mal einen Blick auf die Regentonne.«
    »Ein alter Freund? Ich dachte, du hättest keine Freunde außer Merle.«
    Er wollte mich nicht verletzen, aber die Worte schmerzten dennoch. Wieder tasteten seine Finger über das Relief. Einst hatte FitzChivalric Weitseher diesen Bock als Wappen getragen. »O doch, ich habe ein paar. Ich höre nur nicht oft von ihnen.«
    »Aha. Und wie steht’s mit neuen Freunden? Hat Jinna auf dem Weg nach Burgstadt bei dir vorbeigeschaut?«
    »Allerdings. Und hat uns zum Dank für die Bewirtung ein Amulett hiergelassen, für gutes Gedeihen in unserem Garten.«
    Er schielte zu mir hin. »Dann ist sie über Nacht geblieben? Sie ist nett, nicht wahr?«
    »Ja, das ist sie.« Er wartete darauf, dass ich noch etwas sagte, aber ich tat ihm den Gefallen nicht. Er senkte den Kopf und versteckte sein Grienen hinter der vorgehaltenen Hand. Ich gab ihm einen freundschaftlichen Knuff. Er wehrte ihn ab, dann griff er plötzlich nach meiner Hand und hielt sie fest. Das Lächeln gerann, stattdessen malte sich bange Sorge auf seinem Gesicht. »Tom, Tom, was soll ich nur tun? Ich hatte es mir ganz leicht vorgestellt, aber es war furchtbar. Dabei war ich bereit, für guten Lohn gute Arbeit zu tun und ich war höflich und drückte mich nicht und trotzdem hat man mich schäbig behandelt. Was soll ich tun? Ich kann nicht mein ganzes Leben hier am Ende der Welt verbringen. Ich kann nicht!«
    »Nein. Das kannst du nicht.« In diesem Moment begriff ich zwei Dinge. Erstens, dass mein Eeremitendasein den Jungen höchst mangelhaft darauf vorbereitet hatte, auf eigenen Füßen durch die Welt zu kommen. Zweitens, dass Chade so ähnlich zumute gewesen sein musste wie mir jetzt, als ich ihm verkündete, ich wolle kein Assassine sein. Es ist bitter zu erkennen, dass man, indem man versuchte, einem jungen Menschen zu vermitteln, was für einen selbst gut und passend scheint, ihm in Wirklichkeit einen Bärendienst erwiesen hat. Unter seinem flehenden Blick fühlte ich mich klein und schäbig. Ich hätte besser für ihn sorgen müssen. Zu spät. Jetzt konnte ich nur noch versuchen zu retten, was zu retten war. Ich hörte mich die Worte aussprechen, bevor ich wusste, dass ich sie gedacht hatte. »Ich habe in Bocksburg alte Freunde. Ich kann das Geld für deine Lehre borgen.« Bei der Vorstellung der möglichen Zinsen für einen solchen Kredit wurde mir flau, doch ich biss die

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