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Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann

Titel: Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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seinem Bündel verdeckt, war das Wappentier der Weitseher ins Holz geschnitzt, ein Rehbock mit angriffslustig gesenktem Gehörn. Ich ließ die Finger über die Schnitzerei wandern, und mir wurde schwer ums Herz. »Was willst du von mir?«, fragte ich in die Stille.
    Die Zeit schritt fort, aber für mich in bleiernen Schuhen; ein Tag wie der andere und die Abende kleine, einförmige Ewigkeiten. Es gab Arbeit, um die Stunden auszufüllen und ich tat sie, doch merkte ich auch, dass eine Arbeit immer nur die nächste zeugt. Eine Mahlzeit wollte nicht nur zubereitet sein, sondern nachher musste abgewaschen werden, und ein in die Erde gelegtes Samenkorn bedeutete bis zur Ernte Jäten und Gießen. Das einfache Leben bereitete mir keine Befriedigung mehr.
    Ich vermisste den Narren und merkte, er hatte mir schon lange gefehlt. Es war wie eine alte Wunde, die wieder zu schmerzen beginnt. Nachtauge war mir keine Hilfe. Er war sehr still und grüblerisch geworden, und die Abende verbrachten wir oft jeder für sich in seine Gedanken versunken. Einmal, ich war damit beschäftigt, bei Kerzenschein ein Hemd auszubessern, kam Nachtauge zu mir und legte mir mit einem Schnaufer den Kopf aufs Knie. Ich knuddelte seine Ohren und kraulte ihn. »Ist alles in Ordnung?«, fragte ich ihn.
    Alleinsein täte dir nicht gut. Ich bin froh, dass der Geruchlose zu uns zurückgekehrt ist. Ich bin froh, dass du weißt, wo er zu finden ist.
    Dann wandte er sich ächzend ab und rollte sich vor der Veranda auf dem kühlen Erdboden zusammen.
    Die Hitze lag wie eine erstickende Decke über allem. Schwitzend schleppte ich zweimal täglich Wasser für den Garten herbei. Die Hühner hörten auf zu legen. Alles Leben war wie erstorben. Dann, mitten in diesem Sommer meines Missvergnügens, kehrte Harm zurück Ich hatte nicht damit gerechnet, ihn vor Ende der Erntezeit wiederzusehen, doch eines Abends hob Nachtauge ruckartig den Kopf von den Pfoten, erhob sich steif, ging zur Tür und spähte den Pfad hinunter. Nach einem Moment legte ich das Messer weg, dessen Klinge ich schärfte, und trat neben ihn. »Was ist?«
    Der Junge kommt.
    So früh? Doch schon während ich es dachte, wusste ich, es war überhaupt nicht früh. Die Monate, die er mit Merle auf der Walz gewesen war, hatten den Frühling aufgezehrt. Den Hochsommer hatte er bei mir verbracht, aber den ganzen Heuet und einen Teil des Ernting war er auf Arbeitssuche gewesen. Nur ein Monat und ein halber, und wie unendlich lange war es mir vorgekommen.
    Wo der Weg zwischen den Bäumen hervortrat, tauchte ein Wanderer auf. Nachtauge und ich liefen ihm entgegen. Als Harm uns bemerkte, fiel er in einen müden Laufschritt und auf halber Strecke trafen wir uns. Sofort als ich ihn in die Arme schloss, merkte ich, er war gewachsen. Und dünn geworden. Und als ich ihn losließ und auf Armeslänge von mir weghielt, sah ich in seinen Augen Scham und Enttäuschung. »Willkommen zu Hause«, begrüßte ich ihn, doch er zuckte nur mutlos die Achseln.
    »Ich komme als Besiegter«, sagte er und kniete sich hin, um Nachtauge zu umarmen. »Liebe Güte, er ist ja nur noch Haut und Knochen!«, rief er bestürzt aus.
    »Er ist krank gewesen, aber jetzt geht es ihm wieder besser«, erklärte ich. Ich bemühte mich, meiner Stimme einen zuversichtlichen Klang zu geben und mir nichts von der Angst anmerken zu lassen, die heiß in mir aufwallte. »Das Gleiche, nur noch Haut und Knochen, könnte man auch von dir sagen«, fügte ich hinzu. »Im Haus habe ich Brot und Fleisch. Komm und iss und dann kannst du uns berichten, wie es dir ergangen ist in der großen weiten Welt.«
    »Das lässt sich auf dem kurzen Weg zur Tür erzählen, mit ganz wenigen Worten«, erwiderte er, während wir langsam auf das Haus zugingen. Seine Stimme war tief wie die eines Mannes und die Bitterkeit darin ebenfalls. »Schlecht ist es mir ergangen. Die Ernte war gut, doch wohin ich auch kam, stets wurde ich als letzter genommen, denn immer wollten sie erst ihren Vetter dingen oder die Freunde ihres Vetters. Immer war ich der Fremde, dem man die schwersten und niedrigsten Arbeiten zuschiebt. Ich habe geschuftet wie ein Ochse, aber bezahlt haben sie mich wie eine Maus, mit Brosamen und Kupferlingen. Und sie trauten mir nicht. Sie wollten nicht, dass ich in der Scheune übernachte oder mit ihren Töchtern rede. Und zwischendurch musste ich essen und alles war viel teurer, als ich für gerechtfertigt hielt. Ich bin bei meiner Heimkehr nur um eine magere Hand voll

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