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Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann

Titel: Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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Geschäft in der Familie geblieben war. Aus einem Bier wurden zwei, dann drei und das vierte war getrunken, bevor die Abenddämmerung auf leisen Sohlen durch die Gassen schlich. Man hatte den mürrisch aussehenden Fremden in der Ecke unbehelligt gelassen, dafür lauschte ich umso aufmerksamer auf das, was gesprochen wurde. Welcher Notfall Chade auch veranlasst haben mochte, mich aus dem Exil zu rufen, in der Bevölkerung wusste man nichts davon. Man zerriss sich das Maul über die Verlobung des Prinzen, klagte dass der Krieg zwischen Bingtown und Chalced dem Handel schadete und erregte sich über die äußerst merkwürdigen Launen des Wetters heutzutage. Aus einem klaren und friedvollen Nachthimmel war der Blitz in einen ungenutzten Werkzeugschuppen im äußeren Burgbezirk gefahren und hatte das Dach weggesprengt. Ich schüttelte den Kopf über die Geschichte, legte für den Schankbuben einen Kupferling extra auf den Tisch und schulterte meinen Packen.
    Das letzte Mal hatte ich die Burg in einem Sarg verlassen. Jetzt konnte ich diese Methode kaum anwenden, andererseits hatte ich Bedenken, am Haupttor Einlass zu begehren. Früher war ich in den Wachstuben wohl bekannt gewesen. Auch wenn ich mich seither verändert hatte, ich wollte nicht das Risiko eingehen, erkannt zu werden. Also begab ich mich zu einem Platz, den Chade und ich beide kannten, ein geheimer Durchschlupf zum Burggelände, den Nachtauge ausgekundschaftet hatte, als er noch ein Welpe war. Durch diese kleine Bresche im Mauerring der Burg waren Königin Kettricken und der Narr seinerzeit König Edels Häschern entkommen. Heute Abend gedachte ich, auf diesem Weg unbemerkt meine Rückkehr zu bewerkstelligen.
    Doch als ich mich der Stelle näherte, bemerkte ich, dass man das Schlupfloch entdeckt und geschlossen hatte. Schon vor geraumer Zeit, denn hohes Diestelgestrüpp wucherte dort, wo es gewesen war. Ein kleines Stück davon entfernt saß auf einem großen bestickten Polster mit untergeschlagenen Beinen ein goldenhaariger Jüngling von unverkennbar edler Abkunft und spielte mit großer Kunstfertigkeit auf einer Rohrflöte. Bei meinem Näherkommen beendete er die Melodie mit einem virtuosen Triller und legte die Flöte zur Seite.
    »Narr«, begrüßte ich ihn freundschaftlich und ohne sonderliche Überraschung.
    Er neigte den Kopf zur Seite und spitzte die Lippen wie zu einem Kuss. »Herzlieb«, säuselte er. Dann sprang er feixend auf und schob die Flöte in sein mit Bändern besetztes Hemd. Er zeigte auf sein Kissen. »Ich bin froh, dass ich das mitgenommen habe. Mir schwante, dass du versucht sein könntest, im Ort unten nostalgischen Betrachtungen zu frönen, aber ich hatte nicht damit gerechnet, so lange warten zu müssen.«
    »Es hat sich verändert«, sagte ich niedergeschlagen.
    »Haben wir uns nicht alle verändert?«, erwiderte er, und ein Hauch von Pathos schwang in seiner Stimme. Dann glättete er mit einer gekünstelten Bewegung sein glänzendes Haar und zupfte sich ein Blatt vom Strumpf. Wieder zeigte er auf sein Kissen. »Nehm Er das und folg Er mir, hopphopp. Man erwartet uns.« Es war in Gebärde und Tonfall die perfekte Nachahmung eines geckenhaften Edelmanns. Er zog ein Taschentuch aus dem Ärmel und tupfte sich imaginäre Schweißperlen von der Oberlippe.
    Ich musste grinsen. Wie mühelos und überzeugend er in diese Rolle schlüpfte. »Wie kommen wir in die Burg hinein?«
    »Durch das Haupttor selbstverständlich. Keine Bange. Ich habe ausstreuen lassen, dass Fürst Leuenfarb durchaus unzufrieden mit der Qualität der hiesigen Dienstboten ist. Keiner der unmanierlichen Lümmel hat Gnade vor seinen Augen gefunden. Heute jedoch erwartet er das Einlaufen eines Schiffes, welches ihm einen braven Burschen bringen soll, anstellig, wenn auch ein wenig hinterwäldlerisch, aber immerhin mit einer Empfehlung vom Kammerdiener meines Vetters zweiten Grades. Heißen tut er Tom Dachsenbless.«
    Er ging vor mir her. Ich hob das Kissen auf und folgte. »Dann soll ich also deinen Lakaien spielen?«, fragte ich im Ton ironischer Belustigung.
    »Natürlich. Die perfekte Tarnung. Du wirst für die blaublütigen Herrschaften im Palas so gut wie unsichtbar sein. Nur das Gesinde wird mit dir sprechen, aber da ich mir ausgedacht habe, dass du der geknechtete, überarbeitete, ärmlich gekleidete Sklave eines arroganten, aufgeblasenen und dünkelhaften jungen Edelmanns sein sollst, wirst du nicht viel Muße haben, Freundschaften zu schließen.« Er blieb stehen

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