Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann

Titel: Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
Vom Netzwerk:
und schaute sich nach mir um. Mit einer langen, schmalen Hand hielt er sein Kinn umfasst, als er mich von oben herab musterte. Seine hellen Brauen schoben sich zusammen, die bernsteinfarbenen Augen wurden schmal und aus heiterem Himmel fuhr er mich an: »Und wag Er es nicht, den Blick zu mir aufzuheben, Kanaille! Ich dulde keine Aufsässigkeit. Er soll sich gerade halten, Bescheidenheit üben und den Mund halten, wenn Er nicht gefragt ist. Hat Er das verstanden?«
    »Jedes Wort.« Ich grinste ihn an.
    Seine Miene und Haltung blieben unverändert, dann plötzlich wich der strenge Ausdruck und machte kopfschüttelnder Verzweiflung Platz. »FitzChivalric, das Spiel ist verloren, wenn du deine Rolle nicht spielen kannst, glaubwürdig spielen kannst. Nicht nur, wenn wir im großen Saal der Burg stehen, sondern in jeder einzelnen Minute zu jeder Tages-und Nachtzeit, solange die entfernteste Möglichkeit besteht, dass man uns beobachtet. Ich bin als Fürst Leuenfarb bei Hofe eingeführt, aber ich bin immer noch der Neuling in diesem illustren Kreis und die Leute werden gaffen. Chade und Königin Kettricken haben alles ihnen Mögliche getan, um mir bei dieser Täuschung zu helfen; Chade, weil er glaubt, dass ich ein nützliches Werkzeug sein könnte und die Königin, weil sie aufrichtig der Meinung ist, dass ich es verdiene, als Edelmann behandelt zu werden.«
    »Und niemand hat dich wiedererkannt?« Ich konnte es nicht glauben.
    Er legte den Kopf schief. »Was sollten sie wiedererkennen, Fitz? Meine leichenweiße Haut und die farblosen Augen? Mein Narrengewand, das geschminkte Gesicht? Meine Kapriolen und Couplets?«
    »Ich habe dich sofort wiedererkannt.«
    Er lächelte warm. »So, wie ich dich erkannte und dich erkennen würde, wenn ich dich nach einem Dutzend gelebter Leben zum ersten Mal wiedersähe. Aber nur wenige sonst sind so klarsichtig. Chade, mit dem scharfen Auge eines Meisters des heimlichen Todes, erspähte mich und arrangierte eine Privataudienz, bei der ich mich der Königin offenbarte. Ein paar andere haben mir von Zeit zu Zeit neugierige Blicke zugeworfen, doch keiner würde sich erdreisten, an Fürst Leuenfarb heranzutreten und ihn zu fragen, ob er nicht an diesem selben Hof vor fünfzehn Jahren zu König Listenreichs Belustigung als Narr Kobolz geschossen hat. Mein Alter passt ihnen nicht zu dieser Vorstellung, wie auch meine Hautfarbe, mein Auftreten, mein Reichtum.«
    »Wie können sie dermaßen blind sein?«
    Er schüttelte über meine Einfalt lächelnd den Kopf. »Fitz, Fitz. Schon damals haben sie mich nicht wirklich wahrgenommen. Sie sahen nur einen lustigen Zwerg und Schabernackler. Mit Absicht gab ich mir keinen Namen, als ich hier eintraf. Für die meisten der Edelleute und Damen am Hof war ich schlicht der Narr. Sie belachten meine dreisten Reden und beklatschten meine Luftsprünge, aber sie sahen nicht mich.« Er seufzte leise, dann schaute er mich sinnend an. »Du hast einen Namen daraus gemacht. Der Narr. Und du hast mich wahrgenommen. Du hast mir in die Augen gesehen, wenn andere unsicher den Blick abwandten.« Für den Bruchteil einer Sekunde sah ich seine Zungenspitze zwischen den leicht geöffneten Lippen. »Hast du geahnt, in welche Ängste du mich gestürzt hast? Dass all meine Spiegelfechtereien die Augen eines kleinen Jungen nicht zu blenden vermochten?«
    »Du warst selbst noch ein Kind«, gab ich zu bedenken.
    Er zögerte, und mir fiel auf, dass er, als er fortfuhr, weder widersprach noch zustimmte, sondern tat, als hätte ich nichts gesagt. »Sei mein treuer Diener, Fitz. Sei Tom Dachsenbless, jede Sekunde jeden Tages den du hier in der Burg verbringst. Es ist die einzige Möglichkeit, wie du uns beide schützen kannst. Und die beste Tarnung, um Chade zu helfen.«
    »Was genau will Chade von mir?«
    »Das sollst du aus seinem eigenen Mund hören, nicht aus meinem. Komm. Es wird dunkel. Nicht nur der Ort hat sich verändert, auch in der Burg ist manches anders als früher. Wenn wir nach Einbruch der Dunkelheit Einlass begehren, kann es sein, dass man uns abweist.«
    Tatsächlich war während unseres Gesprächs die Abenddämmerung hereingebrochen. Getreu meiner Rolle im Abstand von drei Schritten, folgte ich dem Narren an der Mauer entlang zu der steilen Straße zum Haupttor. Dort wartete er im Schutz der Bäume, bis ein Weinhändler um die Biegung vor uns verschwunden war, und trat erst dann auf die Straße hinaus. Als Fürst Leuenfarb schritt er voran und sein ergebener Diener Tom

Weitere Kostenlose Bücher