Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann
kein sonderliches Kunststück sein, herauszufinden, wo in den umliegenden Bergen er untergeschlüpft war. Unsere Abwesenheit war also gewiss nicht von langer Dauer. Mit diesem Gedanken beruhigte ich mein Gewissen und setzte leichteren Sinnes den Weg zur Hufschmiede fort.
Ich stellte keine sonderlichen Erwartungen an das mir zugedachte Reittier. Im Gegenteil, ich fürchtete, der besondere Humor des Narren könnte in der Entscheidung des Fürsten für ein spezielles vierbeiniges Kuriosum gipfeln. Ich sprach die Gesellin an, die sich mit Wasser aus dem Regenfass erfrischte und sagte ihr, ich wäre gekommen, um das Pferd abzuholen, welches Fürst Leuenfarb zum Beschlagen hätte bringen lassen. Sie gab mir mit einem Kopfnicken zu verstehen, dass sie Bescheid wusste, und ich wartete, während sie das Pferd holen ging. Draußen war es schon heiß genug, im Inneren der Werkstatt herrschte ein Inferno aus Gluthitze und Lärm, das zu betreten mich nicht gelüstete.
Das Mädchen war schnell wieder zurück am Strick eine großgewachsene schwarze Stute. Ich ging prüfend um sie herum und merkte, als ich aufschaute, dass sie mich mit dem gleichen abschätzenden Blick musterte wie ich sie. Dem Augenschein nach war sie gesund und trug keine Spuren schlechter Behandlung. Ich spürte behutsam nach ihr. Sie schnaubte und sah mich nicht an, verweigerte sich der Alten Macht. Ganz eindeutig hatte sie keinerlei Interesse daran, mit einem Menschen Freundschaft zu schließen.
»Ein Rabenaas«, informierte mich der Schmied, der schweißüberströmt aus der Werkstatt trat, mit lauter Stimme. »Nichts von wegen, dass Ihre Gnaden die Hufe hebt, um es unsereinem leichter zu machen. Und sie tritt, wenn sich die Gelegenheit bietet, sieh dich vor. Hat auch nach meiner Jungfer Zupack hier geschnappt. Aber so garstig war sie nur während dem Beschlagen, sonst hat sie sich manierlich aufgeführt.«
Ich dankte ihm für die Warnung und überreichte ihm die versprochene Börse. »Weißt du ihren Namen?«, fragte ich ihn.
Der Meister schürzte die Lippen und schüttelte den Kopf. »Habe die Stute noch nie vorher gesehen. Wenn sie einen Namen hatte, ist er von einem Händler zum anderen verschütt gegangen. Ruf sie, wie es dir gefällt; möchte wetten, sie hört nicht drauf!«
Ich verschob das Problem des Namens auf später. Das abgewetzte Halfter gehörte zu ihr, ich nahm den Strick und suchte mir einen Sattler. Dort erstand ich einfaches, solides Zaumzeug und selbst nach langem Handeln empfand ich die Summe, die ich schließlich berappen musste, immer noch als Wucher. Die Miene des Sattlers drückte deutlich aus, dass er mich für einen Pfennigfuchser hielt. Als ich mit meinem Einkauf hinausging, fragte ich mich, ob er womöglich Recht hatte. Bisher hatte ich noch nie so etwas kaufen müssen; vielleicht rührte Burrichs pedantisches Ausbessern von schadhaftem Zaumzeug daher, dass er wusste, was diese Dinge kosteten.
Die Stute war beim Anprobieren verschiedener Sättel unruhig geworden und als ich jetzt aufsitzen wollte, wich sie tänzelnd aus. Sobald ich oben saß, antwortete sie auf Zügel und Hilfen, aber nur so eben. Ich runzelte die Stirn, nahm mir aber vor, geduldig zu sein. Möglicherweise zeigte sie sich williger, wenn wir erst einmal wussten, was wir voneinander zu halten hatten. Und wenn nicht, nun, mit Einfühlungsvermögen ließen sich die Unarten eines jeden Pferdes korrigieren. Während ich sie behutsam die steile Straße zur Burg hinaufritt, überlegte ich, dass ich in meiner Jugend mehr verwöhnt worden war, als ich damals ahnte. Ausgezeichnete Pferde, einwandfreies Sattelzeug, erstklassige Waffen, gute Kleidung, reichlich zu essen: So vieles hatte ich für selbstverständlich gehalten.
Ein Pferd? Ich könnte ein Pferd alles lehren, was es wissen muss. Weshalb brauchst du ein Pferd?
Ich hatte nicht gemerkt, dass Nachtauge meine Gedanken mitdachte, so unauffällig war er in mein Bewusstsein geschlüpft. Ich gehe auf Reisen. Mit dem Geruchlosen.
Muss es zu Pferd sein? Er ließ mir keine Zeit zu antworten. Ich spürte seinen Unmut. Warte auf mich. Ich bin fast da.
Nachtauge, nein, komm nicht zu mir. Bleib bei Harm. Ich bin bald wieder zurück.
Doch er war fort und mein Gedanke hing auf halbem Weg zwischen mir und ihm unbeantwortet in der Leere. Ich spürte nach ihm, fand aber nur Nebel. Er wollte nicht mit mir streiten. Wollte nicht hören, wie ich ihn bat, bei Harm zu bleiben.
Die Wächter am Tor schenkten mir kaum einen Blick.
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