Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann
Lage das Klügste zu sein.
»Dachsenbless! Jagdmeisterin!« Fürst Leuenfarb rief vom Wegrand nach uns. Zutiefst erleichtert stapfte ich mit den Pferden zu ihm hin.
Laurel folgte uns. Ungefähr auf halbem Weg hörte ich von ihr einen leisen, kehligen Laut der Anerkennung. Ich sah verdutzt über die Schulter. Ihre Augen hingen an Fürst Leuenfarb, doch auf meinen fragenden Blick hin krümmten sich ihre Mundwinkel zu einem kurzen kleinen Lächeln. Ich schaute wieder nach vorn, zu meinem neuen Herrn und alten Freund.
Er wusste, dass wir ihn beobachteten, und stellte sich in Positur. Ich kannte ihn zu gut, um mich von seinen Tricks täuschen zu lassen. Er wusste wie der Wind vom Fluss her in seinen goldenen Locken spielte. Seine Farben waren gut gewählt, Blauschattierungen und Weiß, und der Schnitt der eleganten Reisekleidung schmeichelte seiner schlanken Gestalt. Er sah aus wie ein Geschöpf aus Sonne und Himmel. Selbst mit einem Bündel in einer Hand – Proviant in einem weißen Tuch – und einem Krug in der anderen, brachte er es fertig, wie das Abbild aristokratischer Grandeur auszusehen.
»Ich bringe Ihm Essen, damit Er sich nicht versucht fühlt, die Pferde unbeaufsichtigt zu lassen, um selbst nach einer Mahlzeit zu suchen«, erklärte er und reichte mir das Bündel und den beschlagenen Tonkrug. Dann ließ er den Blick über Laurel wandern und schenkte ihr ein anerkennendes Lächeln. »Wenn es unserer anmutigen Jägerin gefällt, wäre es mir ein Vergnügen einen Imbiss mit ihr einzunehmen, während wir auf diese vermaledeiten Fuhrwerke warten.«
Der kurze Blick, mit dem Laurel mich streifte, sagte alles, war Entschuldigung, dass sie mich im Stich ließ, setzte voraus, dass ich begriff, dass sie eine Einladung wie diese unmöglich ausschlagen konnte.
»Ich bin überzeugt, dass es auch mir ein Vergnügen wäre«, erwiderte sie und neigte den Kopf. Ich nahm Weißschopfs Zügel, noch bevor sie mich darum bitten konnte. Der Fürst bot ihr den Arm, als wäre sie ein Edelfräulein. Nach einem kaum merklichen Zögern legte sie ihre sonnengebräunte Hand auf das helle Blau seines Ärmels. Sofort bedeckte er sie mit seinen langen, graziösen Fingern. Sie hatten sich noch keine drei Schritte von mir entfernt, da befanden sie sich bereits mitten in einer lebhaften Unterhaltung über jagdbare Vögel und Schonzeiten und Federn.
Mir war, ohne dass ich es gemerkt hatte, die Kinnlade heruntergefallen, und erst jetzt dachte ich daran, den Mund wieder zuzuklappen. Die Wirklichkeit pendelte sich wieder ins Lot. Fürst Leuenfarb, begriff ich plötzlich, war in jeder Hinsicht eine ebenso vollständige und ›echte‹ Person wie seinerzeit der Narr. Der Narr war ein albinoweißer kleiner Kobold gewesen, ein boshafter Spottvogel, der bei denen, die ihn kannten, entweder rückhaltlose Zuneigung hervorrief oder Abscheu und Angst. Ich hatte zu denen gehört, die mit König Listenreichs Possenreißer befreundet gewesen waren, und diese Freundschaft als das Wertvollste geschätzt, das zwei Knaben verbinden konnte. Aber die überwiegende Mehrheit der Leute bei Hofe hatte seine scharfe Zunge gefürchtet und fühlte sich abgestoßen von seiner fahlen Haut, den farblosen Augen. Doch gerade eben hatte eine intelligente und, wie ich zugeben musste, attraktive junge Frau die Gesellschaft Fürst Leuenfarbs der meinen vorgezogen.
»Über Geschmack lässt sich nicht streiten«, bemerkte ich zu Weißschopf, der trübsinnig hinter seiner Herrin herschaute.
Was ist in dem Bündel?
Ich dachte mir, dass du noch in der Nähe herumlungerst. Einen Moment Geduld.
Ich pflockte die Pferde mittels des für diesen Zweck umgeänderten Zaumzeugs behelfsmäßig an und ging zu der Stelle, wo die Wiese an ein von Bäumen überragtes Gehölz stieß. Auf einem mächtigen, bemoosten Findling breitete ich das Tuch aus. Der Krug enthielt süßen Apfelmost, wie ich feststellte. In dem Tuch befanden sich zwei Fleischpasteten.
Eine für mich.
Nachtauge blieb im Gebüsch verborgen. Ich warf ihm eine der Pasteten hin und biss sofort in meine. Sie war noch warm, die Füllung saftig und herzhaft. Eine der wunderbaren Eigenschaften der Alten Macht ist die, dass man kauend eine Unterhaltung führen kann, ohne sich zu verschlucken. Wie hast du mich gefunden? Und weshalb bist du mir überhaupt gefolgt?, fragte ich ihn.
Ich habe dich gefunden, wie ich jeden Flohstich finden würde. Und warum ich dir gefolgt bin? Was sollte ich sonst tun? Du konntest nicht ernsthaft von
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