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Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann

Titel: Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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Er deutete mit einem wackelnden Zeigefinger in Gentils Richtung. »Wie würde es Euch gefallen, mit einer Frau verlobt zu werden, die Ihr vorher noch nie gesehen habt, und sie ist noch nicht mal eine richtige Frau, wie man hört. Mehr eine Knoschpe als eine Blüte. Elf? So jung. Schrecklich jung, findet Ihr nicht? Und ich sehe die Vorzüge dieser Verbindung nicht. Ich begreife nicht den Nutzen.«
    Eine Indiskretion, fast schon unverhohlene Kritik an der Entscheidung der Königin. Rund um den Tisch wurden Blicke gewechselt. Ganz offensichtlich hatte Fürst Leuenfarb mehr Odevie konsumiert, als er folgenlos vertragen konnte, und doch schenkte er sich gerade wieder ein. Seine Tirade hing unbeantwortet in der Luft. Vielleicht versuchte Avoin, ein unverfänglicheres Thema anzuschneiden, als er fragte: »Dann zieht der Prinz sich häufig zur Meditation zurück?«
    »Das’s der Brauch in den Bergen«, nickte Fürst Leuenfarb. »Sagt man. Was weiß ich schon? Nur, dass’s nich Brauch is bei uns in Jamailla. Die jungen Fürsten in meiner schönen Heimat sind weltlicher gesinnt. Und darin werden sie ermutigt, jawohl, denn wo könnte ein junger Herr besser lernen, wie’s in der Welt zugeht, als mitten drin im prallen Leben? Euer Prinz täte besser dran, sich mehr unter seine Altersgenossen am Hof zu mischen. Ja, und in der Heimat nach einer passenden Gemahlin auszuschauen.« Ein jamaillianischer Akzent hatte sich in Fürst Leuenfarbs Rede eingeschlichen, als gewänne im Rausch der heimatliche Zungenschlag die Oberhand. Er trank und setzte sein Glas so ungeschickt zurück auf den Tisch, dass eine kleine bernsteinfarbene Welle über den Rand schwappte. Fahrig rieb er sich über Mund und Kinn, wie um die betäubende Wirkung des Alkohols wegzumassieren. Ich vermutete, dass er sich das randvolle Glas lediglich an die Lippen gehalten hatte.
    Niemand äußerte sich zu seiner Betrachtung, aber er schien es nicht zu bemerken. »Und diesmal dehnt er seine Abwesenheit länger aus als je zuvor«, ereiferte er sich. »Nichts anderes hört man mehr bei Hofe in letzter Zeit. ›Wo ist Prinz Pflichtgetreu? Was? Immer noch in Klausur? Wann kommt er wieder? Wie, keiner weiß es?‹ Nicht sehr förderlich für die Stimmung, wenn der junge Prinz sich nicht blicken lässt. Könnte wetten, dass ’s seiner Katze auch nicht gefällt. Was denkt Ihr, Avoin? Vermisst eine Jagdkatze ihren Herrn?«
    Avoin schien darüber nachzudenken. »Jemand, der ein Herz für seine Katze hat, würde sie nicht über längere Zeit allein lassen. Die Zuneigung einer Katze ist keineswegs selbstverständlich, sondern muss Tag für Tag aufs Neue erworben werden.«
    Avoin schien gesonnen, einen weiteren Monolog anzuheben, aber Lady Bresinga wusste es geschickt zu vereiteln. »Eins trifft ganz gewiss auf unsere Katzen zu, sie jagen am liebsten in der Morgendämmerung. Wenn wir also Fürst Leuenfarb unsere Schönheiten in bester Jagdlaune präsentieren wollen, sollten wir uns jetzt zu Bett begeben, damit wir, wenn es dämmert, wieder munter sind.« Auf ein kleines Zeichen von ihr trat ein Diener vor, um den Stuhl zurückzuziehen. Auch alle anderen erhoben sich, der Fürst leicht schwankend. Ich glaubte, ein belustigtes Kichern von der kleinen Baroness Wisenvogel zu hören, aber die junge Dame stand selbst nicht mehr ganz sicher auf den Beinen. Getreu meiner Rolle beeilte ich mich, meinem Herrn einen stützenden Arm zu bieten. Er verschmähte ihn hochmütig und wies mich, stirnrunzelnd über meine Tollpatschigkeit, mit einer herrischen Geste zur Seite. Also hielt ich mich gehorsam im Hintergrund, während die vornehmen Herrschaften sich eine gute Nacht wünschten, und folgte schließlich Fürst Leuenfarb zu seinen Gemächern.
    Ich hielt ihm die Tür auf, ließ ihn vorbei und trat hinter ihm ein. Dienstbare Geister waren am Werk gewesen, hatten die Utensilien des Bades weggeräumt, neue Kerzen aufgesteckt und das Fenster geschlossen. Ein Tablett mit kaltem Fleisch, Obst und Pasteten stand auf dem Tisch. Meine erste Handlung nach dem Verriegeln der Tür bestand darin, das Fenster zu öffnen. Obwohl für die Alte Macht kein Hindernis, mochte ich keine Barriere zwischen mir und Nachtauge haben. Ich warf einen Blick nach draußen, konnte ihn aber nicht entdecken. Bestimmt war er unterwegs, die Umgebung auszukundschaften, und ich ging nicht das Risiko ein, nach ihm zu spüren.
    Stattdessen unternahm ich einen schnellen Rundgang durch unsere beiden Räume und forschte nach Hinweisen

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