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Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann

Titel: Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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darauf, dass jemand unser Gepäck durchsucht hatte; schaute unter dem Bett und in den Schränken nach heimlichen Lauschern. Die Bresingas und ihre Gäste waren den ganzen Abend über auf der Hut gewesen. Entweder wussten sie, was es mit Fürst Leuenfarbs Besuch bei ihnen auf sich hatte, oder sie rechneten damit, dass jemand auftauchte, um unter dem Deckmantel der Harmlosigkeit nach dem Prinzen zu fahnden.
    Doch ich fand keine Spione zwischen den Plumeaus, keine Anzeichen, dass man sich an meinen absichtlich achtlos hingeworfenen Kleidungsstücken zu schaffen gemacht hätte. Ich pflegte nie mein Quartier tadellos aufgeräumt zu verlassen. Es ist leicht, einen ordentlichen Raum nach einer Durchsuchung wieder in den ursprünglichen Zustand zu versetzen, dagegen hat es seine Tücken, wenn man sich erinnern will, wie genau die Ärmel eines über die Stuhllehne hängenden Hemdes den Fußboden berührten, bevor man es wegnahm, um die Nähte und Säume nach verborgenen Diebshaken oder Ähnlichem abzutasten.
    Ich unterzog Fürst Leuenfarbs Gemach einer ähnlichen Untersuchung, während er schweigend an der Tür wartete. Als ich fertig war, drehte ich mich zu ihm herum und nickte. Er ließ sich schwer in einen Sessel plumpsen und schnaufte tief. Das Kinn sank ihm auf die Brust, die Lider wurden schwer. Der reichlich genossene Alkohol hatte Spuren hinterlassen, seine Gesichtszüge wirkten aufgedunsen und schlaff. Ich fluchte stumm. Wie konnte er so leichtsinnig sein, sich zu betrinken? Er streckte erst das linke Bein aus dann das rechte, und ließ jeweils den gestiefelten Fuß mit der Ferse polternd auf den Boden fallen. Gehorsam bückte ich mich, zog ihm die Stiefel herunter und stellte sie zur Seite. »Kannst du stehen?«
    »Waschesagt?«
    Ich schaute zu ihm auf. »Ich habe gefragt, ob du stehen kannst.«
    Er öffnete die Augen einen Spalt, und ein träges Lächeln zog seinen Mund in die Breite. »Ich bin ja so begabt«, gratulierte er sich flüsternd. »Und du gibst ein ungemein befriedigendes Publikum ab, Fitz. Weißt du, wie deprimierend es sein kann, eine Rolle zu spielen, wenn niemand weiß, dass es eine Rolle ist? In einen gänzlich anderen Charakter zu schlüpfen, wenn niemand es zu würdigen versteht, die Selbstverleugnung, das schauspielerische Talent.« Die Verschmitztheit des Narren funkelte in den bernsteinfarbenen Augen. Der Moment der Heiterkeit ging vorüber und sein Mund wurde ernst. Er sprach sehr leise. »Selbstverständlich kann ich stehen. Und tanzen und springen, wenn’s gewünscht wird. Aber die heutige Nacht ist ernsteren Dingen vorbehalten. Heute Nacht musst du in die Küche hinuntersteigen und Klage führen, wie sehr dir der Magen knurrt. Ansehnlich wie du bist, habe ich keine Zweifel, dass man dir gern zu einer Stärkung verhelfen wird. Dann sieh zu, was unter dem Gesinde geschwatzt wird und auf welches Gleis die Gespräche sich lenken lassen. Geh nur, keine Müdigkeit vorschützen. Ich bin durchaus imstande, mich selbst ins Bett zu bringen. Möchtest du, dass das Fenster offen bleibt?«
    »Wäre mir lieb.«
    Mir ebenfalls. Der Gedanke von Nachtauge war leichter als ein Hauch.
    »Dann soll es so sein.«
    In der Küche waren auch zu dieser Stunde noch viele fleißige Hände tätig, denn das Ende des Mahls ist nicht das Ende der Arbeit. Tatsächlich schuften nur wenige Menschen schwerer und länger als solche, die für das leibliche Wohl der Bewohner einer Burg zuständig sind, denn gewöhnlich graut, kaum dass Aufräumen und Abwasch von der letzten Mahlzeit getan sind, schon wieder die Stunde, dass das Brot für den nächsten Abend zum Gehen angesetzt werden muss, in Tosen nicht anders als in Bocksburg. Ich stellte mich unter die Tür und setzte eine hoffnungsvoll-fragende Miene auf.
    Fast sofort wurde eine Frau von Mitleid ergriffen. Ich erkannte in ihr eine der Mägde, die bei Tisch aufgewartet hatten. Lady Bresinga hatte sie mit Lebven angesprochen. »Du musst halbtot sein vor Hunger, du Ärmster. Sie haben alle dagesessen und geschmaust und getrunken und dich behandelt, als wärst du Luft. Komm herein. Auch wenn sie ordentlich zugelangt haben, es ist noch reichlich übrig.«
    Im Handumdrehen saß ich auf einem hochbeinigen Stuhl an einer Ecke des bemehlten und zernarbten Brottisches. Lebven stellte eine Phalanx von Schüsseln vor mich hin, und genau wie sie gesagt hatte, gab es reichlich von allem. Zum Beispiel einen noch halb vollen Teller mit aufgeschnittenem, geräucherten Wildbret, verziert

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