Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann
sie einfach hinnimmt und nicht darüber spricht.
Wir nahmen die Verfolgung wieder auf, in der feuchten Erde war es ein Kinderspiel, die Fährte des großen Reitertrupps zu erkennen. Sie hatten ihren Mann abgeschrieben und ihren Weg ohne ihn fortgesetzt, genau wie sie einen der Ihren dem sicheren Tod überlassen hatten, als sie aus dem Weiler flüchteten. Diese kalte Entschlossenheit sprach Bände. Der Prinz war ihnen wichtiger als alles andere; sie waren entschlossen, bis zum Tod um ihn zu kämpfen. Möglicherweise töteten sie ihn lieber, als ihn sich entreißen zu lassen. Die Tatsache, dass wir so gut wie gar nichts über ihre Motive wussten, zwang uns zu gleicher Kompromisslosigkeit. Ich verwarf die Idee, erst den Versuch zu machen, mit ihnen zu verhandeln. Die Aussichten standen gut, dass ihre Antwort die gleiche sein würde, die ihr Bogenschütze gestern für uns gehabt hatte.
Sehnsüchtig dachte ich an die Zeit zurück als ich Nachtauge losgeschickt hätte, um den Weg für uns auszuspähen. Jetzt, die überdeutliche Fährte vor Augen, war der schwerfällig trabende Wolf eine Behinderung. Auch er wurde sich dessen bewusst, denn plötzlich setzte er sich neben dem Pfad hin. Ich zügelte Meine Schwarze, der Narr hielt mit Malta neben mir.
Mein Bruder?
Reitet ohne mich weiter. Die Jagd gehört den Flinken und Starken.
Soll ich denn ohne meine Augen und Nase sein?
Und ohne dein Hirn, leider. Mach dich davon, kleiner Bruder, und wende deine Schmeicheleien an jemanden, der sie für bare Münze nimmt. Eine Katze vielleicht. Er stand auf, und ungeachtet seiner Mattigkeit war er nach wenigen Schritten auf seine unnachahmliche Weise mit dem Gras und den Sträuchern verschmolzen und unsichtbar. Der Narr warf mir einen schrägen Blick zu.
»Wir reiten ohne ihn weiter«, erklärte ich sachlich und ließ die Besorgnis in seinen Augen unkommentiert. Meine Schwarze fiel in Trab und wir setzten unseren Weg fort, schneller als vorher. An einem Bach ließen wir die Pferde saufen und füllten unsere Wasserschläuche. Es gab Brombeeren, hart und sauer, weil im Schatten gereift. Wir aßen sie trotzdem gierig, allein weil es guttat, etwas zu kauen und zu schlucken. Nur ungern ließen wir Früchte an den Büschen hängen und stiegen in den Sattel, sobald die Pferde ihren Durst gelöscht hatten. In scharfem Trab ging es weiter.
»Nach meiner Zählung sind es sechs«, äußerte der Narr.
Ich nickte. »Wenigstens. Am Bachufer waren Abdrücke von Katzenpfoten. Zwei verschiedene Größen.«
»Wir wissen, dass einer ein Kriegspferd reitet. Sollten wir mit wenigstens einem Hünen rechnen?«
Ich rollte zweifelnd die Schultern. »Ich empfehle, dass wir auf alles Mögliche vorbereitet sind. Unter anderem könnte es sein, dass wir zu guter Letzt mehr als sechs Gegner haben. Sie sind auf dem Weg zu irgendeinem sicheren Ort. Vielleicht eine Niederlassung derer vom Alten Blut oder ein Stützpunkt der Gescheckten. Und vielleicht werden wir die ganze Zeit beobachtet.« Ich blickte zum Himmel. Mir war kein Tier aufgefallen, der uns ungebührliche Aufmerksamkeit schenkte, aber das durfte uns nicht in Sicherheit wiegen. Bei den Leuten, mit denen wir es zu tun hatten, war es angezeigt, jeden kreisenden Vogel, jeden schnüffelnden Fuchs mit Misstrauen zu betrachten. Wir mussten auf der Hut sein.
»Wie lange geht das schon so mit dir?«, erkundigte sich der Narr beim Weiterreiten.
»Dass ich in den Träumen des Prinzen zu Gast bin?« Ich hatte nicht die Kraft, um den heißen Brei herumzureden. »Ach, schon einige Zeit.«
»Lange vor der Nacht, in der dir geträumt hat, er wäre in Tosen?«
»Jahre davor hatte ich hin und wieder merkwürdige Träume. Mir war nicht klar, dass es sich um die des Prinzen handelte.«
»Das ist bei meinem Besuch nicht zur Sprache gekommen, nur dass du von Burrich und Nessel geträumt hättest.« Er hüstelte und fügte hinzu: »Aber Chade hat mit mir über seine diesbezüglichen Vermutungen gesprochen.«
»Hat er das?« Ich war nicht erfreut, das zu hören. Die Vorstellung, dass Chade und der Narr hinter meinem Rücken über mich redeten, gefiel mir gar nicht.
»War es immer der Prinz oder nur der Prinz? Oder gibt es noch andere Träume?« Der Narr bemühte sich, seine Fragen beiläufig klingen zu lassen, aber ich kannte ihn schon zu lange.
»Noch andere als die, von denen du schon weißt?« Ich überlegte. Nicht, ob ich ihn belügen sollte, sondern wie viel von der Wahrheit preisgeben. Dem Narren Sand in die
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