Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann
bemerkt, brachte es nichtsdestotrotz fertig, jedesmal auszuweichen, wenn ich mich ihr nähern wollte. Die Stute des Prinzen zeigte weder Freude noch Ablehnung, sie ließ sich ohne eine sichtbare Gemütsbewegung von mir streicheln. Plötzlich war Meine Schwarze hinter mir. Sie stieß mich an, und als ich mich zu ihr herumdrehte, gestattete sie, dass ich ihr den Hals klopfte und sie unten den Kinnbacken kraulte. Der Narr sprach leise, mehr zu Malta als zu mir.
»Es muss schwer für dich sein, ihn unter diesen Umständen zum ersten Mal zu treffen.«
Ich wollte ihm keine Antwort geben. Ich wusste keine. Dann hörte ich mich zu meiner eigenen Überraschung sagen: »Er gehört nicht wirklich zu mir. Er ist Veritas’ Erbe und Kettrickens Sohn. Mein Fleisch war dort, aber nicht ich. Veritas trug meinen Körper.«
Ich bemühte mich, meine Gedanken von dieser Erinnerung abzulenken. Als Veritas mir sagte, es gäbe eine Möglichkeit, seinen Drachen zu wecken, dass mein Leben und meine Kraft der Schlüssel wären, glaubte ich, mein König bäte mich darum, ihm mein Leben zu geben. Als sein Vasall und weil ich ihn liebte, hätte ich es ihm bereitwillig geschenkt. Stattdessen hatte er von der Gabe Gebrauch gemacht, um sich meines Körpers zu bemächtigen, und ließ mich gefangen in seinem gebrechlichen, ausgebrannten Leib zurück, während er in meiner Gestalt zu seiner jungen Frau ging und mit ihr einen Erben zeugte. Ich hatte keine Erinnerung an ihre Stunden zusammen; ich erinnerte mich nur an eine lange Nacht als alter Mann. Nicht einmal Kettricken wusste genau, was geschehen war. Einzig der Narr teilte mein Wissen über die Umstände von Pflichtgetreus Empfängnis. Jetzt riss seine Stimme mich aus meinem schmerzlichen Grübeln.
»Er sieht dir so ähnlich, als du in seinem Alter warst, dass es mir ans Herz greift.«
Dazu gab es nichts zu sagen.
»Wenn ich ihn sehe, will ich ihn festhalten und beschützen. Beschützen vor all den schrecklichen Dingen, die dir im Namen des Hauses Weitseher angetan wurden.« Er stockte. »Ich habe gelogen«, bekannte er dann. »Ich möchte ihn beschützen vor all den schrecklichen Dingen, die dir angetan wurden, weil ich dich als meinen Katalysten benutzt habe.«
Die Nacht war zu schwarz und unsere Feinde zu nahe, als dass ich hätte mehr davon hören wollen. »Ich schlage vor, dass du neben ihm schläfst, dicht beim Feuer. Der Wolf wird bei euch bleiben. Halte dein Schwert griffbereit.«
»Und du?«, fragte er nach einem Moment des Schweigens. War er enttäuscht, dass ich einfach das Thema gewechselt hatte?
Ich zeigte mit dem Kopf auf die Bäume, die das Bachbett säumten. »Ich werde auf einen von denen da steigen und Wache halten. Du solltest versuchen, derweil zu schlafen. Wenn sie uns überfallen wollen, müssen sie die ganze Wiese überqueren. Im Feuerschein kann ich sie rechtzeitig sehen, um etwas zu unternehmen.«
»Was zu unternehmen?«
Ich zuckte die Achseln. »Sind es wenige, kämpfen wir. Sind es viele, geben wir Fersengeld.«
»Meisterhafte Strategie. Chade hat dich viel gelehrt.«
»Ruh dich aus, so lange du kannst. Wir reiten bei Mondaufgang.«
Als wir uns trennten, hatte ich das ungute Gefühl, dass zwischen uns etwas ungesagt geblieben war, etwas Wichtiges. Nun ja. Ein andermal.
Wer glaubt, es sei einfach, im Dunkeln einen guten Kletterbaum zu finden, ist nie in der Verlegenheit gewesen. Bei meinem dritten Versuch fand ich einen, der einen dicken, als Sitzgelegenheit geeigneten Ast mit Blick auf unser Lager zu bieten hatte. Als Zeitvertreib bot sich an, über ein Schicksal nachzudenken, dessen Launen ich verdankte, dass ich zwei Kinder hatte, einen Sohn und eine Tochter, und doch kein Vater war. Ich beschloss jedoch, mir stattdessen Sorgen um Harm zu machen. Chade würde sein Wort halten, was die Lehrstelle anging, kein Zweifel, aber ob Harm fähig war, seinen Teil der Abmachung zu erfüllen? Hatte ich ihn gut genug vorbereitet? Würde er mit dem Herzen bei der Arbeit sein? Würde er auf den Meister hören und Tadel widerspruchslos ertragen?
Die Nacht war pechschwarz. Ich hielt vergeblich nach der Mondsichel Ausschau; mit ihr und ihrem schwindenden Licht war erst gegen Mitternacht zu rechnen. Vage konnte ich bei dem schwarzroten Auge des Lagerfeuers die Umrisse von Fürst Leuenfarb und dem Prinzen in ihren Decken erkennen. Die Zeit verging. Ein freundlicher Zweigstumpf bohrte sich in mein Kreuz und verhinderte, dass ich mich allzu behaglich fühlte.
Komm
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