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Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann

Titel: Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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unschädlich zu machen, war zur traditionellen Methode geworden, mit Zwiehaften zu verfahren. Edel war zutiefst enttäuscht gewesen, dass er in Bezug auf mich dieser Tradition nicht hatte huldigen können.
    »Nicht gerade mein Lieblingslied«, meinte ich ausdruckslos.
    »Verständlich. Dennoch, Sleks Vortrag war ansprechend und trug ihm viel Beifall ein, mehr, als seine Stimme eigentlich rechtfertigt. Er hat dieses Tremolo am Ausklang der Töne, das manche sehr gefühlvoll finden, obwohl es in Wirklichkeit das Zeichen einer schlecht geführten Stimme ist …«. Sie merkte, dass sie vom Thema abkam. »In letzter Zeit sind die mit der Alten Macht verhasster denn je. Sie sind aufsässig geworden; es kommen einem die wildesten Gerüchte zu Ohren. Ich habe gehört, dass in einem Dorf, wo ein Zwiehafter gehängt und verbrannt wurde, vier Tage darauf sämtliche Schafe gestorben sind. Einfach auf der Weide tot umgefallen. Die Leute sagen, es war die Rache seiner Familie, aber als man es ihnen heimzahlen wollte, waren sie schon über alle Berge. An der Tür ihres Hauses war ein Papier angeschlagen, worauf stand: ›Ihr habt es nicht anders verdient.‹ Und das war nicht der einzige Vorfall dieser Art.«
    »Das hat Harm mir berichtet.«
    Sie nickte kurz, dann stand sie auf und trat in die Mitte des Zimmers. Eine Vagantin durch und durch, brauchte sie eine Bühne für die Geschichte, die sie zu erzählen hatte. »Nun gut. Nachdem Slek ›Der Gescheckte Prinz‹ gesungen hatte, trat ein anderer Sänger vor. Er war sehr jung und vielleicht war er deshalb so töricht. Er zog seine Kappe vor der Königin und erklärte dann, er werde nach dem ›Gescheckten Prinzen‹ ein weiteres Lied ähnlichen Inhalts zum Vortrag bringen, aus jüngerer Zeit. Als er sagte, er hätte es zuerst in einem Weiler derer mit der Alten Macht vernommen, lief ein Raunen durch die Menge. Überall wird von solchen Orten gemunkelt, aber ich habe noch nie erlebt, wie einer behauptet, er wäre dort gewesen. Als das Gemurmel erstarb, hub er mit einem Lied an, das mir völlig unbekannt war. Die Melodie war die Abwandlung einer volkstümlichen Weise, aber die Verse waren neu, ebenso ungeschliffen wie seine Stimme.« Sie legte den Kopf schräg und musterte mich forschend. »Er sang von Chivalrics Bastard, was er getan hatte, bevor seine Besudelung durch die Alte Macht offenbar wurde. Er entblödete sich nicht, eine Zeile oder zwei aus meiner Ballade ›Turm der Geweihinsel‹ zu stehlen, eine Unverschämtheit. Weiter hieß es, dass dieser ›Weitseherspross, des Alten Bluts teilhaftig, königlich gezeugt, treu und wahrhaftig‹, nicht in des Anmaßers Kerker gestorben war. Wenn man dem Lied glauben wollte, hatte der Bastard überlebt und sich der Familie seines Vaters würdig erwiesen. Der Sänger berichtete, wie König Veritas auszog, um die Uralten zu suchen, und der Bastard aus seinem Grab aufstand, um seinem rechtmäßigen König zur Hilfe zu eilen. Er schilderte überaus dramatisch, wie der Bastard König Veritas dazu brachte, durch das Tor des Todes in die Welt der Lebenden zurückzukehren, und ihm einen Garten mit steinernen Drachen zeigte, die geweckt werden konnten, um die Not der Sechs Provinzen zu beenden. Das hörte sich an, als wüsste er, was er sagte. Ich jedenfalls wurde nachdenklich, auch wenn er sich inzwischen heiser gesungen hatte.« Sie machte eine Pause und wartete auf einen Kommentar von mir, aber ich war sprachlos. Schließlich zuckte sie die Achseln und bemerkte sarkastisch: »Wenn dir daran gelegen war, diese Ereignis besingen zu lassen, hättest du vor allen anderen an mich denken können. Ich war dabei, falls du dich erinnerst. Um genau zu sein, es war der Grund, weshalb ich das alles auf mich genommen hatte. Und ich bin eine erheblich bessere Sängerin als dieser grüne Junge.«
    »Ich habe nichts zu tun mit diesem Lied, wie du dir vermutlich denken kannst. Ich wünschte, keiner hätte es je gehört.«
    »Nun, da hast du wenig zu befürchten.« Sie sagte es im Ton tiefer Befriedigung. »Ich habe es vor diesem Tag nie gehört und auch seither nie wieder. Es war höchstens mittelmäßig, die Melodie entsprach nicht dem Inhalt, die Verse ermangelten jeder poetischen Kraft, die …«
    »Merle.«
    »Schon gut. Er gab dem Lied das traditionelle heroische Ende. Wenn je die Krone der Weitseher in Gefahr sei, käme der wohlgesinnte Bastard mit der Alten Macht zurück, um das Reich zu schützen. Als er endete, schleuderte jemand aus der Menge ihm

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