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Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann

Titel: Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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meinem Gewicht zu Boden. Wir landeten ziemlich dicht neben dem Feuer, aber ich war oben und entschlossen, dort zu bleiben. Unsere Gesichter waren nur einen Fingerbreit voneinander entfernt, als ich ihn in einen Fesselgriff nahm. Er warf den Kopf wild hin und her, benutzte seine Stirn als Rammbock. Die Augen, die sich in meine bohrten, waren nicht die des Prinzen. Sie, die Frau, spuckte mich an und verfluchte mich. Ich hob ihn an den Schultern hoch und stieß ihn wieder in den Sand. Ich sah, wie sein Kopf vom Boden zurückprallte. Er hätte wenigstens benommen sein müssen, doch er schnappte geifernd nach meinem Arm. Ich spürte einen Zorn in mir aufwallen, der von so tief innen kam, dass es schon außerhalb von mir war.
    »Pflichtgetreu!«, brüllte ich. »Hör auf, dich mir zu widersetzen!«
    Er erschlaffte ruckartig. Die Katzenfrau stierte mich wütend an, dann verblasste sie und schwand aus seinen Augen. Prinz Pflichtgetreu schaute entsetzt zu mir auf. Dann verging auch das. Sein Blick war leer wie der eines Toten. Blut umrahmte seine Zähne. Ich ließ ihn los und erhob mich langsam und keuchend. »Eda und El, seid gnädig«, betete ich, wie ich es selten tat, aber die Götter verspürten keine Neigung, meine Tat ungeschehen zu machen.
    Was ich getan hatte, wusste ich nur allzu gut, hatte es schon einmal getan, früher, absichtlich und kalten Blutes. Ich hatte mittels der Gabe meinem Vaterbruder, Prinz Edel, den Befehl eingebrannt, von Stund’ an ein getreuer Freund und Vasall Königin Kettrickens zu sein und des Kindes, welches sie unter dem Herzen trug. Dieser Gabenbefehl sollte dauerhaft sein und tatsächlich wirkte er bis zu dem überraschenden Tod von Prinz Edel nur wenige Monate später, doch wie lange die Wirkung andernfalls angehalten hätte, blieb dadurch leider unerforscht.
    Diesmal hatte ich im Zorn gehandelt, impulsiv, ohne über den Moment hinauszudenken. Der wütende Befehl, den ich ihm gegeben hatte, hatte sich mit der vollen Wucht der Gabe in sein Bewusstsein geprägt. Er hatte nicht aus freiem Willen aufgehört zu kämpfen. Ein Teil von ihm hatte vermutlich immer noch den Wunsch, mich zu töten. Sein verdutzter Blick sagte mir, dass er nicht verstand, was ihm geschehen war. Genau genommen verstand ich es selbst nicht.
    »Kannst du aufstehen?«, fragte ich ihn ahnungsvoll.
    »Kann ich aufstehen?«, wiederholte er tonlos. Mir wurde flau. Er sprach undeutlich. Seine Augen rollten hin und her, als suchte er eine Antwort in sich selbst, dann kehrte sein Blick zu mir zurück.
    Ich versuchte es anders. »Du kannst aufstehen.«
    Und nachdem ich es gesagt hatte, konnte er es.
    Er rappelte sich schwerfällig auf, torkelnd, wie nach einem Kinnhaken. Die geballte Macht meines Befehls schien den Bann der Katzenfrau gebrochen zu haben, jedoch den einen Zwang durch einen anderen abgelöst zu haben und war in meinen Augen kein Triumph. Er stand mit leicht nach vorn gebogenen Schultern vor mir, als forschte er nach einem Schmerz irgendwo in seinem Innern. Nach einer Weile hob er den Blick und schaute mich an. »Ich hasse dich«, erklärte er mit völlig gleichgültiger Stimme.
    »Das ist verständlich«, hörte ich mich antworten. Gelegentlich teilte ich sein Gefühl.
    Es war mir unangenehm, ihn anzusehen. Ich suchte mein Messer, hob es auf und steckte es zurück in die Scheide. Er ging schlurfend um das Feuer herum und ließ sich auf der gegenüberliegenden Seite nieder. Ich beobachtete ihn unauffällig. Er wischte sich über den Mund und betrachtete dann seine blutige Handfläche. Den Mund leicht geöffnet, tastete er mit der Zunge über sein Zähne. Ich fürchtete, er würde einige ausspucken, aber es schien noch einmal glimpflich abgegangen zu sein. Er äußerte kein Wort der Klage. Vielmehr sah er aus wie jemand, der sich angestrengt an etwas zu erinnern versucht. Gedemütigt und verwirrt starrte er ins Feuer. Ich fragte mich, welche Gedanken ihn bewegten.
    Auch ich saß eine Weile still da und spürte all die neuen kleinen Schmerzen, die ich ihm verdankte. Viele davon waren nicht körperlich. Ich bezweifelte, dass sie vergleichbar waren mit dem, was ich ihm angetan hatte. Mir fiel nichts ein, was ich zu ihm hätte sagen können, deshalb stocherte ich in der Glut nach dem Essenspaket. Der Seetang war in der Hitze geschrumpft und getrocknet und wurde langsam schwarz. Ich schob das Päckchen mit dem Ast aus dem Feuer. Im Innern hatten die Muscheln sich geöffnet und das Krebsfleisch hatte sich von glasig zu

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