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Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann

Titel: Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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und blieb eine Minute auf dem Bauch liegen, um wieder zu Atem zu kommen. Der Wind wehte freier hier oben und kälter. Langsam stand ich auf und ließ den Blick in die Runde schweifen.
    Wasser. Große Wasserflächen. Die Küste felsig und schroff. Abweisend. Hinter mir Wald, Wald auch jenseits der Tafelebene, die an unseren kleinen Strand anschloss. Entweder hatte es uns auf ein Eiland verschlagen oder auf eine Halbinsel. Kein Hinweis auf eine menschliche Ansiedlung, keine Boote auf dem Meer, nicht einmal ein Rauchfaden, der sich irgendwo in den Himmel kräuselte. Falls wir gezwungen waren, die Heimreise auf Schusters Rappen in Angriff zu nehmen, blieb uns nur der Weg durch den Wald. Die Vorstellung bereitete mir Unbehagen.
    Nach einer Weile drang ein dünnes Geräusch in mein Bewusstsein. Ich trat an den Klippenrand und schaute nach unten. Prinz Pflichtgetreu hatte den Kopf in den Nacken gelegt und rief etwas zu mir hinauf, aber nur die fragende Betonung erreichte mich. Ich antwortete mit einer nichts sagenden Handbewegung. Wenn er unbedingt wissen wollte, was es hier oben zu sehen gab, sollte er sich gefälligst selbst heraufbemühen. Meine Gedanken waren mit anderen Dingen beschäftigt. Jemand hatte diese Nischen ausgehölt und die Schätze zusammengetragen. Nach aller Logik müssten in der näheren Umgebung Anzeichen zu entdecken sein, die darauf hinwiesen, dass Menschen hier lebten. Schließlich erspähte ich weit hinten am Strand etwas, das wie ein Fußpfad aussah. Er querte das Tafelland und verschwand unter den Bäumen. Es sah nicht aus, als würde er viel begangen, vielleicht handelte es sich nur um einen Wildwechsel. Trotzdem prägte ich mir seine Lage ein, für den Fall, dass wir darauf zurückzugreifen mussten.
    Anschließend richtete ich meinen Blick auf das ablaufende Wasser und suchte nach allem, was auch nur annähernd wie behauener Stein aussah. Noch war nichts aufgetaucht, aber eine Stelle erschien mir viel versprechend. Bei jeder zurückflutenden Welle erhaschte ich einen Blick auf, wie ich erkennen zu können glaubte, mehrere schwarze Steine mit geraden Kanten. Sie befanden sich noch unter Wasser. Ich hoffte, dass es sich nicht um eine geologische Kuriosität handelte. Zusammengeschwemmtes Treibholz lag dort am Strand, ein mit Seetang behangener Ast zeigte auf die schwarzen Steine. Ich merkte ihn mir als Wegweiser. Möglicherweise gab die Ebbe die Steine nicht vollkommen frei, doch sobald das Wasser seinen Tiefststand erreicht hatte, war ich entschlossen, mir die Sache näher anzusehen.
    Zu guter Letzt legte ich mich auf den Bauch, schob seufzend die Beine über die Kante und suchte mit dem Fuß nach dem ersten Tritt. Hinunter war noch um einiges mühsamer als hinauf, denn ich musste mich blind Stufe um Stufe nach unten tasten. Im letzten Drittel zitterten meine Beine vor Anstrengung. Ich sparte mir die letzten beiden Stufen, sprang und wäre fast eingeknickt und hingefallen.
    »Sag schon, was hast du gesehen?«, bestürmte mich Pflichtgetreu.
    Ich ließ ihn warten und nahm mir die Zeit, die ich brauchte, um zu verschnaufen. »Wasser. Felsen. Bäume.«
    »Kein Dorf? Keine Straße?«
    »Nein.«
    »Und was tun wir jetzt?« Es klang ungehalten, als wäre alles nur meine Schuld.
    Ich wusste, was ich tun wollte. Ich wollte durch den Gabenpfeiler gehen, selbst wenn ich tauchen musste, um ihn zu finden. Doch zu ihm sagte ich: »Was ich dir sage, hört auch sie. Richtig?«
    Das machte ihn stumm. Mit hängenden Armen stand er da und schaute mich an. Als ich mich auf den Weg den Strand hinunter machte, stapfte er hinter mir her, ohne zu ahnen, wie viel Autorität über sich er mir eingeräumt hatte.
    Es war nicht besonders warm, aber Gehen im Sand ist anstrengender als auf festem Boden. Die Kletterpartie steckte mir in den Knochen, und ich war mit meinen eigenen Sorgen beschäftigt, deshalb machte ich keine Anstalten, eine Unterhaltung anzufangen. Es war Pflichtgetreu, der das Schweigen brach. »Du hast behauptet, sie wäre tot«, sagte er plötzlich anklagend. »Das ist unmöglich. Wenn sie tot ist, wie kann sie dann zu mir sprechen?«
    Ich atmete ein, seufzend wieder aus und überwand mich dann doch zu antworten. »Als einer mit der Alten Macht verschwisterst du dich einem Tier. Verschwistert sein ist mehr als nur der Austausch von Gedanken, es ist geteiltes Sein. Nach einer Weile sieht man durch die Augen des Tieres, erlebt sein Leben, erfährt die Welt, wie sie sich dem Tier darstellt. Es ist mehr als

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