Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann
verschwistert bist, nicht das Tier selbst. Und es geschah nicht aus Liebe zu dir, ebenso wenig wie sie die Katze geliebt hat. Nein. Irgendwo hat irgendjemand einen ausgeklügelten Plan, und du bist nur ein Werkzeug. Ein Werkzeug in der Hand der Gescheckten.«
»Ich glaube dir nicht! Du bist ein Lügner!« Seine Stimme, mit jedem Wort lauter und schriller geworden, brach.
Ich sah, wie ein tiefer Atemzug seinen Brustkorb und die Schultern hob. Beinahe fühlte ich, wie mein Gabenbefehl ihn daran hinderte, wieder auf mich loszugehen. Eine Weile schwieg ich mit Bedacht. Als ich annahm, dass er sich gefasst hatte, sagte ich sehr ruhig: »Du hast mich einen Bastard geschimpft, einen Dieb und jetzt einen Lügner. Ein Prinz sollte seine Zunge besser im Zaum halten, falls er nicht glaubt, dass sein Rang allein ausreicht, ihn vor den Folgen unbedachter Rede zu schützen. Hier ist eine Beleidigung für dich und eine Warnung. Versteck dich hinter der Königlichen Hoheit, während du mir Schimpfnamen gibst, und ich nenne dich einen Feigling. Das nächste Mal, wenn du mir frech kommst, wird deine Herkunft meine Faust nicht aufhalten.«
Ich hielt seinen Blick fest, bis er die Augen niederschlug, der Welpe vor dem Altwolf. Absichtlich leise sprach ich weiter, damit er gezwungen war, aufmerksam zuzuhören. »Du bist nicht dumm. Du weißt, ich lüge nicht. Sie ist tot, und du wirst benutzt. Du willst nicht, dass es wahr ist, aber das ist nicht dasselbe, wie mir nicht zu glauben. Du wirst vermutlich hoffen und beten, dass etwas geschieht, wodurch sich herausstellt, dass ich Unrecht habe. Vergebens.« Ich zuckte die Achseln. »Der einzige Trost, den ich dir bieten kann, ist der, dass du eigentlich nichts dafür kannst. Jemand hätte dich vor so etwas beschützen müssen. Jemand hätte dir schon als du noch klein warst vom Alten Blut erzählen müssen.«
Ich konnte nicht zugeben, nicht vor ihm und nicht vor mir selbst, dass ich dieser Jemand war. Dieselbe Person, die ihn mit der Alten Macht und was sie sein konnte bekannt gemacht hatte, durch Gabenträume, als er vier Jahre alt war.
Eine Zeit lang gingen wir nebeneinander her ohne zu sprechen. Ich behielt mein Seetang behangenes Stück Treibholz im Blick. Wenn ich den Prinzen erst allein hier zurückgelassen hatte, war nicht abzusehen, wie lange ich fort sein würde. Konnte er für sich selbst sorgen? Die Schätze in den Felsenfächern beunruhigten mich. Solcher Reichtum hatte einen Besitzer, und diese Person war unter Umständen nicht erfreut über einen Fremden, der sich an seinem Strand herumtrieb. Wie dem auch sei, mitnehmen konnte und wollte ich ihn nicht, er wäre mir nur im Weg. Eine Zeit des Alleinseins, nur auf sich selbst angewiesen, tat ihm womöglich gut, entschied ich. Und wenn ich bei dem Versuch, Nachtauge und den Narren zu retten, ums Leben kam? Nun, wenigstens war es den Gescheckten dann verwehrt, den Thronerben der Sechs Provinzen für ihre scheußlichen Pläne zu missbrauchen.
Mit zusammengebissenen Zähnen stapfte ich durch den Sand und behielt meine grimmigen Gedanken für mich. Wir waren fast bei dem Wegweiser angekommen, als Pflichtgetreu das Wort ergriff. Seine Stimme war sehr leise. »Du sagst, mein Vater hätte dich in der Gabe unterwiesen. Hat er dich auch gelehrt zu …«
Dann stolperte er und fiel hin und dabei verfing sich seine Stiefelspitze in den Schlingen einer goldenen Kette, die im Sand begraben lag. Fluchend setzte er sich hin und beugte sich vor, um seinen Stiefel loszumachen. Als er nach und nach die Kette in ihrer ganzen Länge aus dem Sand befreite, gingen mir fast die Augen über. Es war ein kompliziert geflochtener Strang aus Goldfäden von der Dicke eines Pferdehaars. Er ließ sie in seine Handfläche gleiten, wo sie sich schwer und üppig zusammenringelte, ein goldenes Schlangennest. Mit einem festen Ruck zog er die letzte Windung heraus und förderte den an der Kette befestigten Anhänger zu Tage, eine Figurine, etwa so lang wie ein kleiner Finger und in leuchtenden Farben emailliert.
Es war eine Frauengestalt. Wir schauten in das stolze Gesicht. Der Künstler hatte ihr schwarze Augen gegeben, das dunkle Gold als Hautton gelassen. Ihr Haar war ebenfalls schwarz, gekrönt von einem blauen Diadem. Das um die Gestalt drapierte Gewand ließ eine Brust entblößt. Unter dem Saum lugten zarte goldene Füßchen hervor.
»Sie ist wunderschön«, sagte ich. Pflichtgetreu blieb stumm, er drehte das Figürchen herum und strich über das lange
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