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Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann

Titel: Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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Provinzen ist es per Gesetz verboten, dass ein Zwiehafter hingerichtet wird, nur um seiner Alten Macht willen. Man muss ihm nachweisen, dass er ein Verbrechen begangen hat.«
    »Hm. Und wird nach diesem Gesetz gehandelt?«
    »Der jeweilige Herzog ist der oberste Gerichtsherr in seiner Provinz und ihm obliegt es, dafür zu sorgen, dass in seiner Provinz dem Recht Genüge getan wird.«
    »Und hier bei uns?«
    Chade ließ sich Zeit mit der Antwort. Stumm kaute er an seiner Unterlippe und seine Augen schauten tief in irgendein unergründliches Nichts. Abwägend. Schließlich fragte er: »Du glaubst, das würde sie zufriedenstellen? Striktere Einhaltung der Gesetze zum Schutze derer mit der Alten Macht in den Bocksmarken?«
    »Es wäre ein Anfang.«
    Er holte tief Atem und stieß ihn seufzend wieder aus. »Ich werde es der Königin vortragen. Es wird keiner großen Überredung von meiner Seite bedürfen. Um die Wahrheit zu sagen, ich habe bisher die entgegengesetzte Rolle gespielt und sie gedrängt, die Traditionen des Volkes zu achten, dessen Herrscherin sie durch Heirat geworden ist, denn sie …«
    »Traditionen?«, platzte ich heraus. »Mord und Folter als ›Traditionen‹?«
    »Denn sie muss alles tun, um eine prekäre Allianz zusammenzuhalten«, schloss er in festerem Ton als er begonnen hatte. »Seit dem Ende der Piratenkriege ist das Regieren ein Balanceakt zwischen den verschiedenen Fraktionen. Es braucht eine leichte Hand, Fitz, und das Gespür, wann es klug ist, den Standpunkt der Krone durchzusetzen, und in welcher Sache man Zugeständnisse machen sollte.«
    Ich dachte an den Brand-und Leichengeruch, der über dem Fluss gehangen hatte und das am Ast im Wind schwingende abgeschnittene Seil. »Glaub mir, in dieser Sache wäre es klug, den Standpunkt der Krone durchzusetzen.«
    »In den Bocksmarken.«
    »Zumindest in den Bocksmarken.«
    Chade deckte die Hand über den Mund und zupfte dann an seinem Kinn. »Abgemacht«, sagte er schließlich, und jetzt erst ging mir auf, dass ich mit ihm gefeilscht hatte. Nicht besonders geschickt, musste ich mir eingestehen, aber ich war auch in keiner Weise darauf vorbereitet gewesen. Doch um ehrlich zu sein: Von wem hatte ich eigentlich erwartet, dass er sich zum Fürsprecher derer vom Alten Blut machte? Fürst Leuenfarb? Jagdmeisterin Laurel, die lieber nicht mit ihrer Verwandtschaft in Verbindung gebracht werden wollte? Ich wünschte, ich wäre rigoroser gewesen, aber eine Chance hatte ich noch, wenn Königin Kettricken mich zur Audienz empfing.
    »Gut. Was denkt die Königin von der Braut ihres Sohnes?«
    Chade bedachte mich mit einem langen Blick. »Verlangst du von mir, dass ich dir Bericht erstatte?« Ein besonderer Ton in seiner Stimme ließ mich stutzen. Eine Falle? War dies eine seiner Fangfragen? »Ich war nur neugierig. Ich habe nicht das Recht …«
    »Aha. Dann hat der Prinz sich geirrt, und du hast nicht eingewilligt, sein Lehrer zu sein?«
    Ich hielt die beiden Dinge gegeneinander, drehte und wendete sie, um zu sehen, wie sie zusammenpassten.
    Dann gab ich auf. »Und wenn doch?«
    »Wenn doch, dann hättest du nicht nur ein Recht auf die Information, sondern du wärst darauf angewiesen. Als der Hofmeister des Prinzen musst du über alles Bescheid wissen, was ihn betrifft. Doch wenn du nicht sein Lehrer sein willst, wenn du vorhast, dich wieder in deine Eremitei zu verkriechen, wenn du nur fragst, um deine müßige Neugier zu befriedigen …« Er ließ den Satz in der Luft hängen.
    Es war einer seiner alten Tricks. Man lasse einen Satz unvollendet und irgendjemand wird es sich nicht verkneifen können, den Abschluss beizusteuern und damit womöglich preisgeben, was er insgeheim denkt. Ich saß nur da, schaute in meinen Teebecher und kaute an meinem Daumennagel, bis Chade sich über den Tisch beugte und mir aufgebracht die Hand herunterschlug. »Nun?«, fragte er.
    »Was hat der Prinz dir erzählt?«
    Nun war er derjenige, der sich in Schweigen flüchtete. Ich wartete, mit der Geduld eines Wolfs.
    »Nichts«, gestand er endlich. »Ich habe nur auf den Busch geklopft.«
    Ich lehnte mich zurück. Als mein Rücken das Polster berührte, zuckte ich leicht zusammen. »Oh weh, alter Mann.« Ich schüttelte den Kopf und dann musste ich lächeln, trotz allem. »Ich dachte, die Jahre hätten deine Ecken und Kanten etwas abgeschliffen, aber da habe ich mich offenbar geirrt. Weshalb machst du es uns so schwer?«
    »Weil ich jetzt der Ratgeber der Königin bin und nicht mehr

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