Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann
nur wegen des Kochens und der abendlichen Behaglichkeit in diesem Sommer, sondern um für die eisige Winterkälte vorzusorgen. Mit dem festen Vorsatz, mich heute darum zu kümmern, ging ich hinein zum Frühstück.
Harms ordentlich gepackter Schnappsack stand neben der Tür. Der Bursche selbst sah frisch gewaschen und gekämmt aus. Er grinste mich an, freudig und aufgeregt, während er Haferbrei in die Schüsseln klackste. Ich setzte mich auf meinen Stuhl, er sich auf seinen angestammten Platz mir gegenüber. »Heute?«, fragte ich mit einer Stimme, der man, wie ich hoffte, nicht anhörte, wie ungern ich ihn ziehen ließ.
»Je früher, desto besser«, antwortete er munter. »Auf dem Markt habe ich gehört, dass bei Cormen die Mahd ansteht. Cormen ist nur einen Tagesmarsch von hier.«
Ich nickte bedächtig; was sollte ich dazu sagen. Er hatte Recht. Mehr als Recht, er konnte es kaum abwarten. Lass ihn gehen, ermahnte ich mich und schluckte meine Einwände hinunter. »Wahrscheinlich hat es keinen Sinn, es auf die lange Bank zu schieben«, brachte ich heraus. Er nahm meine Worte als Ermutigung und Ansporn. Beim Essen, stellte er Überlegungen an, dass er in Cormen beim Heuen helfen konnte um dann eventuell nach Divden weiterzuziehen, wo es vielleicht noch mehr Arbeit für ihn gab.
»Divden?«
»Drei Tage hinter Cormen. Jinna hat uns davon erzählt, erinnerst du dich? Sie sagte, wenn der Wind darüberstreicht, sähen die Roggenfelder aus wie ein Ozean. Deshalb dachte ich, ich könnte es dort versuchen.«
»Klingt viel versprechend«, stimmte ich zu. »Und dann kommst du wieder nach Hause?«
Er nickte langsam. »Außer ich finde noch mehr Arbeit.«
»Natürlich. Außer du findest noch mehr Arbeit.«
Nach ein paar kurzen Stunden war Harm fort. Ich hatte ihm zusätzlichen Proviant aufgedrängt und eine Summe Geld für den äußersten Notfall. Meine Vorsicht machte ihn ungeduldig. Er wollte am Straßenrand schlafen, sagte er, nicht in Gasthöfen. Er erinnerte mich daran, dass es seit den von Königin Kettricken befohlenen Patrouillen kaum mehr Straßenräuber gab und dass Wegelagerer sich nicht an einem Habenichts wie ihm vergreifen würden. Er versicherte mir, er würde schon zurechtkommen. Weil Nachtauge darauf bestand, fragte ich ihn, ob er den Wolf mitnehmen wolle. Er lächelte nachsichtig und blieb bei der Tür stehen, um Nachtauge die Ohren zu kraulen. »Es könnte ein bisschen viel werden für den alten Burschen«, meinte er sanft. »Ich lasse ihn lieber hier, wo ihr zwei aufeinander aufpassen könnt, bis ich wiederkomme.«
Während wir nebeneinander standen und unserem Ziehsohn nachschauten, wie er den Pfad hinunter zur Straße wanderte, fragte ich mich, ob ich je so unerträglich jung und selbstsicher gewesen war, aber mein Herzweh wurde gemildert von warmer Dankbarkeit und Stolz.
Mit dem Rest des Tages wusste ich nichts Rechtes anzufangen. Manche Arbeit wartete darauf, getan zu werden, aber ich konnte mich zu nichts aufraffen. Mehrmals ertappte ich mich dabei, wie ich einfach dastand und ins Leere starrte. Zweimal ging ich zu den Klippen, zu keinem anderen Zweck als dem, aufs Meer hinauszuschauen, und einmal zum Ende unseres Zuwegs, um die Straße hinauf-und hinunterzuspähen. Nicht einmal Staub hing in der Luft, alles war still und leer so weit das Auge reichte. Der Wolf trabte niedergeschlagen hinter mir her. Ich fing ein halbes Dutzend Tätigkeiten an und ließ sie alle halb fertig liegen. Ich lauschte und wartete, ohne zu wissen worauf. Mitten im Spalten von Feuerholz hielt ich inne. Ich verdrängte jeden Gedanken daran, was ich tat, und schlug die Axt in den Hauklotz, hob mein Hemd auf, hängte es mir um die Schultern und machte mich auf den Weg zu den Klippen.
Wie aus dem Boden gewachsen stand Nachtauge vor mir.
Was hast du vor?
Ich mache eine Pause.
Das ist nicht wahr. Du gehst zu den Klippen, um hinauszuspüren.
Ich rieb mir die Handflächen an den Hosenbeinen ab. Meine Gedanken waren formlos. »Ich gehe nur hin wegen der kühlen Brise.«
Wenn du erst da bist, wirst du versuchen, von der Gabe Gebrauch zu machen. Ich weiß es. Ich spüre deinen Hunger so deutlich wie du selbst. Bitte, mein Bruder. Bitte tu das nicht.
Ein klägliches Winseln begleitete seine Gedanken. Nie zuvor hatte ich ihn so verzweifelt bemüht erlebt, mich vom Gebrauch der Gabe abzuhalten. Ich wunderte mich. »Nun gut, wenn es dich so beunruhigt, lasse ich es sein.«
Ich hebelte die Axt aus dem Klotz und ging wieder an
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