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Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann

Titel: Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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weitersprach.
    »Erst später. Nachtauge war dagegen, aber ich hatte das Gefühl, ich könnte die Berge nicht verlassen, ohne den Schauplätzen unserer Queste einen Besuch abgestattet zu haben. Wir kehrten in den Steinbruch zurück, wo Veritas seinen Drachen erschaffen hatte. Ich stand dort und es war nichts als ein flacher, öder Kessel unter einem schiefergrauen Himmel. Keine Spur von dem, was sich dort zugetragen hatte, nur Steinsplitter in Haufen und ein paar abgenutzte Werkzeuge. Ich wanderte über unseren Lagerplatz. Ich wusste, dass die zusammengefallenen Zelte und die verstreut herumliegenden Habseligkeiten uns gehört hatten, aber das meiste davon war seiner Bedeutung entkleidet. Graue Lumpen, durchnässt und formlos. Ich fand ein paar kleine Dinge, die ich mitnahm, die Steine für Krähes Brettspiel, unter anderem.« Ich atmete tief ein. »Und ich bin zu der Stelle gegangen, wo Carrod gestorben ist. Seine Leiche lag noch da, fast gänzlich verwest, nur noch Knochen und ein paar modernde Kleidungsstücke. Alles von Raubtieren unberührt. Sie meiden die Gabenstraße, wie du weißt.«
    »Ja, ich weiß«, erwiderte er leise. Es war, als hätte er mit mir den Rundgang durch den verlassenen Steinbruch gemacht.
    »Ich habe lange dagestanden und mir diese Knochen betrachtet. Ich versuchte, mich an Carrod zu erinnern, wie er ausgesehen, wie er geredet hatte, als wir uns zum ersten Mal begegneten, aber sein Bild war verschwunden. Doch seine Überreste anzusehen, war eine Bestätigung. Es war alles wirklich passiert, und es war wirklich vorbei. Die Ereignisse und der Ort, ich konnte beidem den Rücken kehren. Ich konnte es hinter mir lassen, und es konnte nicht aufstehen und mir folgen.«
    Nachtauge ächzte im Schlaf. Ich legte eine Hand auf seine Flanke. Es tat gut, ihn so dicht bei mir zu haben, in Körper und Geist. Er war nicht davon angetan gewesen, dass ich in den Steinbruch zurückkehrte. Ihm gefiel es nicht, auf der Gabenstraße zu wandern, obwohl ich inzwischen besser gerüstet war, ihrem Sirenengesang zu widerstehen. Er machte kein Hehl aus seinem Verdruss, als ich darauf bestand, auch dem Steingarten einen Besuch abzustatten.
    Ein leises Geräusch unterbrach die Stille, das Klirren des Flaschenhalses gegen den Becherrand, als der Narr nachschenkte. Sein Schweigen war eine Aufforderung an mich fortzufahren.
    »Die Drachen waren dorthin zurückgekehrt, wo wir sie gefunden hatten. Ich schaute sie mir an. Allmählich eroberte der Wald sie zurück, das Gras stand hoch, Ranken überwucherten die steinernen Leiber. Sie waren ebenso wunderschön und geheimnisvoll wie damals. Und ebenso starr.«
    As sie seinerzeit aus ihrem Schlummer erwachten und sich in die Lüfte erhoben, um für die Bocksmarken zu kämpfen, hatten sie Löcher in das Dach des Waldes gerissen. Ihre Rückkehr war nicht behutsamer gewesen und folglich fielen Sonnenstrahlen gebündelt durch die lichteren Stellen des üppigen Grüns und jeder einzelne Drache lag in einem Teich aus Gold. Ich ging von einem zum anderen und wie zuvor spürte ich den Atem der Alten Macht tief, tief im Innern der schlummernden Steinbilder. Ich fand König Weises Hirschdrachen und wagte es, meine bloße Hand auf seine Schulter zu legen. Ich fühlte nur die fein polierten Schuppen, kalt und hart wie der Stein, aus welchem sie gemeißelt waren. Sie waren alle da: der Eberdrache, die geflügelte Katze, sämtliche fantasievollen, sowohl die von Uralten als auch die von Gabenkordialen geschaffenen Formen.
    »Ich habe auch Mädchen-auf-einem-Drachen gesehen.« Ich lächelte in die Flammen. »Sie schläft ruhig. Ihr Oberkörper ist nach vorn gesunken, die Arme schlingt sie liebevoll um den Hals des Drachen, den sie reitet.« Sie scheute ich mich anzufassen, allzu lebhaft erinnerte ich mich an ihre Gier nach Erinnerungen und wie ich sie an den meinen labte. Vielleicht fürchtete ich auch zurückzubekommen, was ich einst bereitwillig hingegeben hatte. Schweigend setzte ich meinen Weg fort, aber Nachtauge stakte mit gesträubtem Fell an ihr vorbei und zeigte unter hochgezogenen Lefzen knurrend jeden einzelnen weißen Zahn. Der Wolf hatte gewusst, wem meine Suche eigentlich galt.
    »Veritas«, sagte der Narr leise, wie als Bestätigung meines unausgesprochenen Gedankens.
    »Veritas«, bestätigte ich. »Meinem König.« Seufzend nahm ich den Faden wieder auf.
    Und ich hatte ihn gefunden. Als wir Veritas’ türkisfarbene Haut im flimmernden Laubschatten schimmern sahen, setzte

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