Die zweiten Chroniken von Fitz dem Weitseher 01 - Der lohfarbene Mann
übergriff. Im Laufen zog ich mein Messer, um mich auf seine Angreifer zu stürzen, wer oder was es auch sei. Doch als ich unter den Bäumen hervor auf die Lichtung am Biberteich stürmte, sah ich nur ihn am Ufer. Mit einer Pfote wischte er nach seinem weit aufgesperrten Maul. Ein großer Fisch, halb gefressen, lag neben ihm. Er ging steifbeinig rückwärts im Kreis, schwenkte den Kopf von einer Seite zur anderen, um den Brocken los zu werden, der ihm im Hals steckengeblieben war.
Ich warf mich neben ihm auf die Knie. »Lass mich machen!«, beschwor ich ihn, doch ich konnte ihn nicht erreichen. Panik machte ihn blind und taub und unempfänglich für mein Denken. Ich versuchte, einen Arm um ihn zu legen, um ihn zu stützen, aber er riss sich los. Er schüttelte heftig den Kopf und würgte. Ich warf mich gegen ihn, stieß ihn um, fiel mit ihm und landete seitlich auf seinem Brustkorb. Was eigentlich meine Ungeschicklichkeit gewesen war, rettete ihm das Leben. Der Aufprall katapultierte den Fisch aus seiner Luftröhre nach oben in sein Maul. Ohne an das scharfe Raubtiergebiss zu denken, steckte ich Nachtauge die Finger in den Rachen, zog den Brocken heraus und warf ihn weit weg. Ich hörte, wie er rasselnd Luft in die Lungen sog und richtete mich auf, um seine Atmung nicht zu behindern. Taumelnd rappelte er sich vom Boden hoch. Ich für meinen Teil bezweifelte, dass meine Beine die Kraft hatten, mich zu tragen.
»An einem Stück Fisch ersticken!«, schimpfte ich mit zitternder Stimme. »Ausgerechnet! Das wird dich lehren, immer so gierig zu schlingen!«
Ich holte selbst tief und schnaufend Atem, unsäglich erleichtert, dass alles gut gegangen war. Doch meine Erleichterung war nur von kurzer Dauer. Der Wolf tat zwei unsichere Schritte, dann kippte er kraftlos zur Seite. Das kam nicht mehr von dem Stück Fisch, das er in den falschen Hals bekommen hatte; Schmerz pulsierte rot in seiner Brust.
»Was hat er? Was ist los mit ihm?«, hörte ich den Narren hinter mir fragen. Ich hatte gar nicht gemerkt, dass er mir gefolgt war und konnte mich jetzt nicht um ihn kümmern. Auf allen vieren krabbelte ich zu meinem Gefährten hin, legte die Hand auf sein Fell und spürte, wie die Berührung das Band zwischen uns verstärkte.
Der Schmerz lag wie ein rot glühendes Eisenband um seine Brust, schnürte ihm den Atem ab. Der stolpernde Herzschlag dröhnte in seinen Ohren. Zwischen den spaltbreit geöffneten Lidern glänzte das Weiß der Augen. Die Zunge hing ihm schlaff aus dem Maul.
»Nachtauge! Bruder!« Ich schrie ihn an, obwohl ich wusste, in seinem Todeskampf konnte er mich nicht hören. Ich kämpfte darum, ihn zu erreichen, sandte ihm meine Stärke und spürte etwas Unglaubliches. Er wich mir aus, zog sich zurück verweigerte, soweit seine schwindenden Kräfte es erlaubten, die Verbindung, die so lange zwischen uns bestanden hatte. Ausgeschlossen aus seinen Gedanken, musste ich fühlen, wie er mir entglitt, in ein Grau, welches ich nicht zu durchdringen vermochte.
Es durfte nicht sein!
»Nein!«, heulte ich auf und schleuderte mein Bewusstsein gegen die Barriere, die uns trennte. Als sie vor der Alten Macht nicht weichen wollte, wühlte ich mich mit der Gabe hindurch, setzte rückhaltlos und instinktiv jede Form von Magie ein, über die ich gebot, um zu ihm vorzudringen. Und ich erreichte ihn. Plötzlich war ich eins mit ihm, mein Bewusstsein enger mit seinem verquickt als je zuvor. Sein Körper war auch der meine.
Vor vielen Jahren, von Edels Folterknechten an den Rand des Todes gebracht, hatte ich die zerschundene Hülle meines eigenen Fleisches verlassen und bei Nachtauge Zuflucht gesucht. Ich wohnte mit dem Wolf in seinem Leib, dachte seine Gedanken, sah die Welt durch seine Augen. Alle Wege war ich mit ihm gegangen, ein Passagier in seinem Leben. Dann endlich hatten Burrich und Chade uns beide zu meinem Grab gerufen und mich gezwungen, in mein kaltes Fleisch zurückzukehren.
Dies war anders. Ich hatte seinen Körper usurpiert, mein menschliches Bewusstsein verdrängte das Tier. Ich ergriff von ihm Besitz und zwang ihn, der sich heftig aufbäumte, stillzuliegen. Ich ignorierte seinen Abscheu vor dem, was ich tat; es musste sein, sagte ich ihm. Wenn ich nicht handelte, war er dem Tod geweiht. Er hörte auf, sich gegen mich zu sträuben, doch es war kein Zeichen des Einverständnisses, sondern ein verachtungsvolles Aufgeben dessen, was ich ihm abgerungen hatte. Später konnte ich versuchen, ihn zu versöhnen; seine
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