Die Zwischenwelt (German Edition)
den Krater erreicht!“
„Schön für sie, aber ich will nicht auf einer Liege landen! Auf ein Hirn- oder Lungenödem kann ich gerne verzichten.“
Nach einer Stunde Diskussion gab er endlich nach. Eduard, unser Träger, sollte mich hinunterbegleiten. Da muss ich unbedingt noch etwas hinzufügen: Die Träger mietet man sozusagen. Sie sind im Kilimandscharo-Trekking-Paket mit inbegriffen. Ohne Bergführer und Träger darf man nicht hinauf. Nicht etwa weil man sich verirren könnte, es gibt ja nur einen Weg … Die Besonderheit der Träger ist folgende: Sie tragen Teller, Besteck, Tassen, Kaffee, Zucker, Essen et cetera von Hütte zu Hütte. Also den ganzen Berg rauf und wieder runter.
„Eduard, wieso werden Essen und Besteck nicht in der Küche deponiert, so dass jeder davon Gebrauch machen kann? Eine Küche gibt es ja auf jeder Etappe.“
„Weil jeder sein eigenes Essen, seinen Kaffee, seinen Zucker und so weiter bezahlt hat“, antwortete Eduard überzeugt.
Eduard hatte Glück: Indem er mich hinunterbegleitete, musste er nicht auf der Spitze des Berges frieren. Als ich zwei Tage zuvor beim Aufstieg zur Horombo-Hütte eine zusätzliche Pause hatte einlegen wollen, hatte es Reklamationen seitens Moses gegeben. Das Wetter war morgens schön, wohingegen es nachmittags immer regnete. Wir waren schon spät dran gewesen (laut Programm), weil ich „pole pole“ gegangen war und nun wollte ich noch einen Moment sitzen und etwas essen. Es war Nachmittag. Trotz Moses’ Protest kam ich zu meiner Pause und als wir wieder losmarschierten, fing es an, richtig zu schiffen – eimerweise. Dann wurde mir alles klar: Christoph und ich hatten Regenschutz, wasserundurchlässige Kleidung, weil wir ja wussten, dass der Regenwald nicht umsonst Regenwald heißt. Moses und Eduard aber wurden pflotschnass. Ich glaube, sie mochten mich anschließend nicht mehr so sehr. Viele der einheimischen Träger und Bergführer bestiegen den Berg mit sommerlicher Kleidung, manchmal sogar mit Sandalen, während die Touristen Handschuhe, Strümpfe und was weiß ich noch alles dabei hatten. Ganz oben auf dem Kilimandscharo war es kalt und es gab Schnee – auf jeden Fall damals noch, als ich dort war …
Christoph setzte seine Mission, den Berg zu besteigen, fort, während ich mit dem glücklichen Eduard zurück zur Mandara-Hütte abstieg. Endlich hatte ich ein bisschen mehr Zeit, um die Vegetation zu bestaunen. Ich sah ein Chamäleon am Rande des Weges – ein Höhepunkt für mich. Bei der Hütte angekommen, wusch ich mir als erstes die fettigen Haare im eiskalten Wasserstrahl der Duschen – auch das war ein tolles Erlebnis. Die Luft war wieder reich an Sauerstoff, man konnte wieder gehen, ohne gleich außer Atem zu sein – und man konnte sich wieder waschen.
Die Küche durfte man nicht betreten: Wollte man einen Kaffee, dann musste man dies dem Träger sagen – und zwar nur dem eigenen Träger, denn man durfte ja nur das eigene Essen oder Trinken, das der eigene Träger mitschleppte, konsumieren. Ich ging Eduard suchen.
„Eduard, könnte ich bitte einen Kaffee haben?“
Eduard schien ein wenig angepisst: „Ja, ich bringe ihn dir zur Hütte.“
Ich ging zu meiner Hütte und setzte mich auf die Eingangstreppen. Eine halbe Stunde später tauchte Eduard wieder auf.
„Hier, der Kaffee.“
„Asante sana (auf Deutsch: Danke). Hast du Milch?“
„Nein, das Milchpulver hat der Bergführer mitgenommen, für Christoph.“
„Ah, wurde also nicht geteilt. Okay. Hast du dann vielleicht Zucker?“
„Nein, tut mir leid, der ist auch auf dem Weg zum Krater.“
„Gibt es sonst vielleicht Zucker hier?“
„Nein, jeder benutzt seinen eigenen und der Zucker, den ihr bezahlt habt, ist auf dem Weg …“
„Ja, schon gut, auf dem Weg zum Krater, logisch. Die Organisation.“
Die Touristen-Gruppen schliefen in den Hütten, um jeweils schon am Morgen danach weiterzugehen. So gab es tagsüber praktisch niemanden im „Dorf“ und ich war auf mich alleine gestellt. Eduard war bei den anderen Trägern verschwunden und Christoph sollte erst zwei oder drei Tage später zurückkommen. Ich entschloss mich, alleine eine kleine Tour zu machen, um den Regenwald zu erleben. Ich fragte mich, wie es wohl wäre, dort zu sitzen, weit entfernt von der Zivilisation und ich freute mich auf das Gefühl, einmal ganz alleine zu sein.
So machte ich mich auf den Weg durch den Regenwald. Nach einer Weile setzte ich mich weit ab vom Touristen-Weg inmitten des
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