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Die Zwischenwelt (German Edition)

Die Zwischenwelt (German Edition)

Titel: Die Zwischenwelt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Filomena Nina Ribi
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nicht schlafen und das Trinkwasser, das uns serviert wurde, roch nach Frittieröl. Ich frag mich, was die damit gemacht haben – wahrscheinlich in einer dreckigen Pfanne aufgekocht. Dabei kann man auf der Höhe gar nicht essen, niemand hat gegessen.“
    „Warst du oben?“
    „Nein, nein … Ein Typ mit uns in der Hütte, der atmete so, als ob er Asthma hätte. Er ist trotzdem weitergegangen, wobei er sich aber schon knapp außerhalb der Kibo-Hütte auf einen Stein setzte. Dann keuchte er und es brodelte aus der Lunge. Fast jeder kotzte, niemand konnte schlafen. Nach zwei Schritten musste man schon eine Pause einlegen und atmen. Die Leute haben dann getrunken und anschließend gekotzt, dann ging es weiter. Ein paar Schritte – und dann wieder trinken und kotzen und atmen.“
    „Das ist ja ekelhaft!“
    „Ich habe mich nicht übergeben, war aber kurz davor. Ich hatte solche Kopfschmerzen und mir war so schlecht, dass ich vor dem Gipfel umkehrte. Ich sah nur noch eine steile Wand – es war mir nichts mehr wert. Und ich wusste ja, dass du hier unten auf mich warten würdest.“
    „Das ist aber nett. Du, Christoph, als ich runterkam, haben wir ein Chamäleon gesehen, das den Weg überquerte! Ich habe tolle Fotos gemacht!“
    „Ah. Ich bin heute 3.800 Meter heruntergekommen. Was die anderen in zwei Tagen machen, haben Moses und ich in einem gemacht!“
    „Und noch etwas, Christoph! Da gibt es ein Bächlein und einen Tümpel. Ein wunderschöner Ort …“, versuchte ich, mich durchzusetzen.
    „Ah, okay, interessant. Ich muss jetzt einen Kaffee trinken und sitzen. Mein Kopf schmerzt.“

Autopsie
    D er Wecker brachte Fiona in die harte Realität zurück – sie musste an diesem kalten Morgen zur Arbeit gehen. Es war immer noch dunkel draußen – eigentlich war es eine vollkommen unnatürliche Uhrzeit, um aufzustehen. Sobald ihr das bewusst wurde, nahm ihre Frustration rasant zu. Nach einem Kaffee, einer Dusche und ein wenig Kosmetik fand sie ihr Spiegelbild immer noch schrecklich. Ihr war auch übel. Sie verspürte Hunger, konnte aber nur eine Banane essen; ihr Magen streikte. Als sie eine Stunde später endlich Tageslicht sah, war sie in sehr schlechter Laune und saß im Zug. In der Kälte erstarrte Felder und Dörfer ohne Menschen zogen vorbei und Fiona konnte nicht anders, als über ihr Leben und ihren toten Vater nachzudenken.
    Die neue Arbeit gefiel ihr gar nicht. Sie arbeitete ihrem Vater zuliebe in einer renommierten Anwaltskanzlei. Sie hatte sich für diese Stelle beworben, ohne ihm etwas zu sagen, denn sie wusste nicht, ob sie die Stelle auch bekommen würde. Sie hatte gedacht, es wäre der Hammer, ihm eines Tages mitzuteilen „Vater! Ab morgen werde ich für die Kanzlei Würg & Partner arbeiten“. Aber leider war alles anders gekommen: Sie hatte sich beworben und dann war er gestorben. Eine Woche nach seinem Tod hatte sie ihr erstes und dann noch ein zweites und drittes Vorstellungsgespräch gehabt, bis sie von Würg & Partner die Nachricht erhielt „Es freut uns, Ihnen mitzuteilen, dass Sie die Stelle erhalten haben“. Sie war gar nicht mehr stolz darauf, denn es war Ernsts Wunsch gewesen und er war ja nicht mehr da, sie konnte es ihm nicht mehr mitteilen.
    „Wieso arbeite ich an diesem Arbeitsplatz?“, murmelte Fiona im Zug leise und hoffte, dass ihr Sitznachbar nichts gehört hatte, der fröhlich laut einen Apfel vor sich hin kaute. „Weil er es so gerne gehabt hätte. Er wäre dann wirklich stolz gewesen oder nicht?“, dachte sie – diesmal, ohne es laut auszusprechen. „Vielleicht wäre es ihm aber wieder nicht gut genug gewesen. Vielleicht hätte er wieder etwas gefunden, um darüber zu meckern. Den Lohn zum Beispiel.“
    Dieser Arbeitstag verlief für Fiona genauso spannungslos wie alle anderen. Zum Mittagessen ging sie in ein Kaffee namens „Bistro“ – es war der nächste Imbiss bei der Kanzlei. Sie aß ein Sandwich inmitten von staubigen Palmen aus Plastik, um Zeit zu sparen und abends früher nach Hause gehen zu können. Am Anfang, als Fiona gerade in der Kanzlei angefangen hatte, hatte sie sich noch bemüht, sich mit den anderen Anwälten zu sozialisieren und mit ihnen essen zu gehen. Aber die Gespräche, die in der Mittagspause stattfanden, waren so oberflächlich und langweilig, dass Fiona sich bald entschied, alleine anderswohin zu gehen. Ihre Arbeitskollegen wussten vom Tod ihres Vaters, aber niemand hatte jemals ein Wort darüber verloren. Der einzige Kommentar, den sie

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