Die Zwischenwelt (German Edition)
Dschungels und mitten auf einer kleinen Lichtung auf den Boden und hörte zu. Außer den Schreien von Affen ab und an hörte ich nur ein Summen – der Grundton im Regenwald ist ein Summen von Tausenden von Insekten – spannend. Als ich wieder aufstand, bemerkte ich in der Nähe ein tiefes großes Loch. Es sah so aus, als ob die Erde dort fünf Meter abgesackt wäre. Was gab es dort unten? Von der Kante sah ich hinunter und entdeckte Knochen. Mir wurde unheimlich, es war beinahe wie in einem Horrorfilm: Nun fehlte nur noch ein Mann mit einer Motorsäge. Niemand wusste, wo ich war, wurde mir bewusst. Würde das Stück Boden, auf dem ich stand, auch absacken, dann würde ich es niemals alleine schaffen, aus der Grube wieder herauszukommen. Ich wäre verhungert und gestorben, ohne dass mich jemals jemand finden würde. In den Zeitungen hätte es dann geheißen „Tessiner Touristin auf dem Kilimandscharo verschwunden“ – oder vielleicht „verschlungen?“ Aber dann sah ich mit Erleichterung und zugleich mit Enttäuschung den Abfall: Bierflaschen. Toll – dann war ich also gar nicht weit weg von der Zivilisation.
Ich suchte mir einen anderen Platz, einen weniger düsteren Platz. Oberhalb der Waldgrenze gab es einen mit Gras bewachsenen Hügel, der wie ein alter Mini-Krater aussah. Oben auf seiner Kante setzte ich mich hin und schaute in die Ferne – weit und breit keine Menschen. Man hätte fast meinen können, man sähe von hier aus ganz Afrika: Unter mir den Regenwald und dann weit weg die Safari-Landschaft. Ich saß und saß und wartete auf eine Erleuchtung – nichts. Dann sah ich plötzlich zwei Punkte, die winkten und winkte zurück. „Das gibt es doch nicht! Überall Menschen“, dachte ich. So konnte ich mich unmöglich spirituell selbst finden. Nicht, dass ich es jemals alleine schon geschafft hätte … Ich gab auf und machte mich auf den Weg zurück zu den Hütten.
Plötzlich wurde ich von seltsamen Tönen angezogen. Piep, Piep, Piep. Hinter dichten Büschen, einige Meter vom Touristen-Weg entfernt, entdeckte ich ein Bächlein, das in einen Tümpel mündete. Ich ging dorthin und setzte mich auf einen Stein nahe am Wasser. Von dort hörte ich zwar ab und an die Stimmen der Wanderer, aber sie schienen trotzdem weit weg, auch weil wir uns gegenseitig nicht sehen konnten. Die Piep-Töne stammten von Kröten: Sie riefen, wie ich es noch nie zuvor gehört hatte. Ich schaute zu, wie diese Amphibien umherschwammen und ohne es zu bemerken vergaß ich die Zeit, vergaß meinen Freund und vergaß das Leben zu Hause – ich war einfach nur noch ich selbst und zufrieden. Ich beobachtete diese Tiere und verschmolz mit der Natur, während es um mich herum entspannend plätscherte. Nicht weit vom Weg entfernt verstand ich, was manche Entspannungskünstler meinten, wenn sie vom „Hier und Jetzt“ sprachen und erlebte einen Moment der Erleuchtung, ohne dass ich dafür auf einen Gipfel steigen musste.
„Hallo Laura“, sagte plötzlich eine sanfte Stimme ganz in meiner Nähe. Ich erschrak.
„Wer bist du?“, fragte ich die helle Gestalt, die oberhalb des Wassers allmählich immer deutlicher wurde.
„Mein Name ist Mona“, antwortete sie. Nach einer kleinen Pause fügte Mona hinzu: „Ich möchte dir etwas über Sara und die Zwischenwelt erzählen.“
Als ich sehr viel später zur Hütte zurückkehrte, kam mir Eduard gleich entgegen.
„Wo bist du gewesen? Ich habe dich überall gesucht!“
„Ich war ein wenig wandern, wieso?“
„Du weißt, Touristen dürfen hier nicht alleine herumgehen. Es ist gefährlich! Nur mit Guide.“
Schon eilte er wieder weg.
Ich setzte mich auf die Treppen meiner Hütte. „Mann, was für ein Erlebnis“, dachte ich mir. Und in diesem Moment tauchte David Doole auf.
„Hello? Do you speak English?“
„Yes.“
„Was machst du hier alleine?“, fragte er mich auf Englisch.
„Ich warte auf meinen Freund und schaue mir ein wenig die Gegend an. Ah! Übrigens: Hast du Zucker dabei?“
„Ja!“, sagte er und streckte seine rechte Hand aus. „Ich heiße David. Ich bin ein englischer Sport-Journalist und schreibe einen Bericht über diese Wanderung.“
„Ich bin Laura.“ Seine Hand war nass vor Schweiß – nach dem Handschlag rieb ich meine Hand an meiner Hose. David war etwa dreißig Jahre alt, eher klein und sehr stabil gebaut. Er hatte eine Glatze und trug eine Brille und einen kleinen Bart.
Als wir zusammen das von Eduard frisch gemachte Popcorn aßen, was der
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