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Die Zwölf: Band 2 der "Passage-Trilogie" - Roman - (German Edition)

Die Zwölf: Band 2 der "Passage-Trilogie" - Roman - (German Edition)

Titel: Die Zwölf: Band 2 der "Passage-Trilogie" - Roman - (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Justin Cronin
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Staatsstreich, es war amerikanisch kontrolliertes Territorium, trotzdem wimmelte es überall von Taliban plus al-Qaida, und ungefähr zwanzig verschiedene regionale Warlords lagen im Streit miteinander.«
    Er schwieg kurz. Was jetzt kam, war am schwierigsten. » Und eines Tages sehen wir da so ein Auto die Straße heraufkommen, die übliche vergammelte Schrottkiste. Die Checkpoints sind alle gut gekennzeichnet, und jeder weiß, dass er da anhalten muss, aber der Typ tut’s nicht. Er brettert geradewegs auf uns zu. Wir können sehen, dass zwei Leute im Wagen sitzen, ein Mann und eine Frau. Alle eröffnen das Feuer. Der Wagen schleudert zur Seite, überschlägt sich zweimal und landet auf den Rädern. Jetzt fliegt er sicher in die Luft, denken wir, aber das tut er nicht. Ich bin der rangmäßig höchste Unteroffizier; also bin ich derjenige, der nachsehen geht. Die Frau ist tot, der Mann lebt jedoch noch, er hängt über dem Lenkrad, und überall ist Blut. Auf dem Rücksitz ist ein Kind, ein Junge. Sicher nicht älter als vier. Sie haben ihn auf einen Sitz geschnallt, der mit Sprengstoff vollgepackt ist. Ich sehe die Drähte, die im Wagen nach vorn führen, wo der Dad den Zünder in der Hand hält. Er murmelt vor sich hin. Anta al-mas’ul, sagt er. Anta al-mas’ul. Der Kleine heult und streckt die Hand nach mir aus. Diese kleine Hand. Ich werde sie nie vergessen. Er ist erst vier, aber es ist, als wüsste er, was passieren wird.«
    » O Gott.« April machte ein entsetztes Gesicht. » Was haben Sie getan?«
    » Das Einzige, was mir einfiel. Ich hab gemacht, dass ich wegkam. An die Explosion kann ich mich eigentlich nicht erinnern. Ich bin in einem Krankenhaus in Saudi-Arabien aufgewacht. Zwei Mann aus meiner Einheit wurden getötet, einer kriegte einen Splitter in die Wirbelsäule.« April starrte ihn an. » Ich sagte ja, es ist nicht sehr hübsch.«
    » Er sprengt sein eigenes Kind in die Luft?«
    » Das trifft’s ungefähr, ja.«
    » Aber was für ein Mensch tut so was?«
    » Das darfst du mich nicht fragen. Ich hab’s nie rauskriegen können.«
    April schwieg. Kittridge fragte sich, ob er ihr zu viel erzählt hatte. Doch es hatte ihm gutgetan, sich das Ganze von der Seele zu reden, und wenn April damit nicht klarkam, merkte man es ihr nicht an. Er wusste, dass seine Geschichte im Grunde belanglos war. Es gab Hunderte, ja sogar Tausende davon. Sinnlose Grausamkeiten würden immer wieder begangen werden. Aber es war ein himmelweiter Unterschied, ob man sich auch damit abfinden wollte.
    » Und wie ging es weiter?«, fragte April nach einer Weile.
    Kittridge zuckte die Achseln. » Gar nicht. Die Geschichte ist zu Ende. Ab ins Paradies, wo tausend Jungfrauen auf den Märtyrer warten.«
    » Ich meinte, wie es mit Ihnen weiterging.« Sie sah ihm ins Gesicht. » Ich weiß nicht, wie es bei Ihnen war, aber ich wäre ziemlich im Eimer nach so was.«
    Dies war etwas Neues, dachte er. Danach fragte sonst niemand. Wenn alles Wichtige gesagt war, konnten seine Zuhörer in der Regel nicht schnell genug das Thema wechseln. Doch dieses Mädchen war anders, diese April.
    » Tja, ich war es nicht. Zumindest dachte ich das. Ich verbrachte ungefähr ein halbes Jahr im Veteranenhilfsprogramm und lernte zu gehen, mich allein anzuziehen und zu essen, und dann ließen sie mich laufen. Der Krieg ist vorbei, mein Freund, zumindest für dich. Ich war nicht verbittert wie so viele. Ich bin nicht unters Bett gehechtet, wenn ein Auto draußen eine Fehlzündung hatte oder so was. Was passiert ist, ist passiert, dachte ich mir. Dann, ungefähr sechs Monate nachdem ich mich niedergelassen hatte, bin ich nach Hause gefahren, nach Wyoming. Meine Eltern waren nicht mehr da, und meine Schwester war mit ihrem Mann rauf nach British Columbia gezogen und praktisch von der Landkarte verschwunden, aber ich kannte da immer noch ein paar Leute, Kinder, mit denen ich zur Schule gegangen war, auch wenn die alle keine Kinder mehr waren. Einer von denen will eine Party für mich geben, eine große Willkommen-zu-Hause-Sause. Sie hatten inzwischen alle selbst Familien– Kinder, Frauen, Jobs–, aber die Jungs konnten ganz schön was schlucken, und die ganze Sache war nur ein Vorwand, sich volllaufen zu lassen. Ich fand nichts dabei. Na klar, sagte ich, sauft nur, und das taten sie dann auch. Ungefähr fünfzig Leute waren da, in der Kleinstadt war das ungefähr die Hälfte meines Highschool-Jahrgangs. Ein Riesentransparent mit meinem Namen hing über der

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