Die zwoelf Gebote
Arsen?"
„Ja", sagte der Drogist, „aber Sie müssen unterschreiben." „Schon gut." Roger hatte sich entschlossen. Seine Schwiegermutter mußte sterben, und wenn er selbst dafür auf den elektrischen Stuhl wanderte. Sie war die böseste Person, die er je gekannt hatte.
Er steckte das Arsen in die Tasche und ging am Abend, als Louise und Sarah im Eßzimmer saßen, in die Küche, um ihnen Kaffee zu holen. Er schüttete sorgfältig das Arsen in die Tasse seiner Schwiegermutter und rührte um.
Dann kam er zurück ins Eßzimmer. „Hier." Er stellte die vergiftete Tasse seiner Schwiegermutter hin. „Hat lange genug gedauert", nörgelte sie.
Sie trank einen kleinen Schluck und beschwerte sich: „Schmeckt bitter."
„Es ist eine neue Marke", sagte Roger. „Na, dann nimm wieder die alte."
Er sah zu, wie sie noch einen Schluck trank, und dann noch einen.
Dafür gehe ich gerne ins Gefängnis, dachte er. Dafür gehe ich sogar auf den elektrischen Stuhl. Wen kümmert es noch. Es ist es wert, wenn man dafür dieses Ungeheuer los wird.
Er tat in dieser Nacht kein Auge zu. Er stellte sich vor, wie es am Morgen wäre. Louise fand ihre Mutter tot im Bett und kam schreiend zu ihm gelaufen. Dann kam die Polizei, und es gab eine Autopsie. Dabei entdeckten sie das Arsen und fanden heraus, daß er es gekauft hatte.
„Haben Sie Ihre Schwiegermutter vergiftet?" würde man ihn
bei der Polizei fragen.
„Jawohl", würde er sagen.
Und seine Strafe wie ein Mann entgegennehmen.
Am nächsten Morgen sah Roger zu, wie Louise aufstand und sich anzog.
Jeden Moment nun, dachte er, geht sie ins Zimmer zu ihrer Mutter und entdeckt, was passiert ist. Bis dahin tue ich so, als wäre gar nichts.
Er stand ebenfalls auf, zog sich an und ging ins Eßzimmer. Da saß Sarah bereits am Tisch. „Du kommst schon wieder zu spät", keifte sie. „Ich mag es nicht, wenn ich warten muß." Roger traute seinen Augen nicht. Er hatte doch selbst gesehen, wie sie den vergifteten Kaffee trank!
„Ich habe fürchterlich schlecht geschlafen", sagte Sarah. „Ich hatte entsetzliches Kopfweh."
Sie ist eine Hexe , dachte Roger. Ich muß mir etwas anderes ausdenken.
Roger war sehr geschickt mit elektrischen Sachen. An diesem Abend, als Sarah ausgegangen war, ging er in ihr Bad und entfernte die Isolierung vom Kabel ihrer Bettlampe, so daß sie einen tödlichen Stromschlag bekommen mußte, wenn sie sie anschaltete.
Er blieb die ganze Nacht auf und wartete auf Sarahs Schrei,
wenn der Stromschlag sie durchfuhr.
Er hörte, wie Sarah in ihr Zimmer ging und die Türe zumachte. Er setzte sich auf. Aber er hörte nichts. Wahrscheinlich ist sie schon tot, dachte er.
Am Morgen stand er auf, zog sich an und ging ins Eßzimmer. Am Tisch saß Sarah und zeterte sogleich wieder los.. „Dieses Haus beginnt auseinanderzufallen", sagte sie. „Die Isolierung meiner Bettlampe war kaputt, und ich mußte das Kabel reparieren." Roger war sprachlos.
„Scheußlich, die Krawatte, die du umhast", sagte Sarah. Nimm eine andere." Ich halte es nicht mehr aus, dachte Roger.
Am nächsten Tag schlüpfte Roger mitten in der Nacht heimlich aus dem Bett und schlich sich in das große Schlafzimmer, in dem Sarah schlief. Er hatte ein Kissen in der Hand, beugte sich über das Bett und drückte es auf Sarahs Gesicht, bis sie nicht mehr atmete.
So, jetzt habe ich einen Mord begangen, dachte er bei sich. Ich habe das Fünfte Gebot gebrochen. Du sollst nicht töten. Ich werde dafür bestraft werden, aber das war es wert. Er kehrte in sein Bett zurück und schlief zum erstenmal seit Wochen wieder tief und fest.
Als er am Morgen erwachte, fühlte er sich großartig. Er wußte, etwas Bedeutsames hatte sich ereignet. Dann erst erinnerte er sich, was es war. Er hatte seine Schwiegermutter umgebracht! Er zog sich an, lächelte fröhlich und ging ins Eßzimmer hinüber.
Am Tisch saß Sarah und wartete. Er stand da wie angewurzelt und glaubte es nicht.
„Mein Gott", jammerte Sarah, „hatte ich einen entsetzlichen Traum! Ich träumte, daß mich jemand ersticken wollte!" Es hat keinen Wert, dachte Roger. Gegen die ist kein Kraut gewachsen. Die ist buchstäblich nicht umzubringen. Ich bin verdammt, sie auf ewig ertragen zu müssen.
Er ging an diesem Tag sehr deprimiert ins Büro.
„Was ist denn mit Ihnen?" fragte ihn sein Chef. „Sie sehen in letzter Zeit sehr unglücklich aus. Haben Sie Kummer und Sorgen?"
Was sollte Roger darauf antworten? Er konnte nicht über sein Problem reden. Und
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