Die Zwölf Türme (German Edition)
mentalen Kraftströme liegt. Doch er zwang sie in sein Willensmuster hinein, presste sie dichter zusammen und fügte dann seine eigene Kraft hinzu.
Dann lag die Macht unter seinem Willen ; der goldrote Sturm in seinem Gehirn toste und wollte grollen ausbrechen, um zu zerstören und zu verbrennen.
Aber Myrddin wollte nicht töten. So hielt er die Kraft in seinem Bann, um sie gezielt und behutsam einsetzen zu können. Das Einzige, was jetzt noch zu tun blieb, war, dass er sich bewusst genug wurde, um den Verlauf der Magie in die richtige Bahn zu lenken und dennoch sein Unterbewusstsein stark genug erhielt, um auch dessen Fähigkeiten einsetzen zu können. Myrddin balancierte Gefühl und Verstand in seinem Geist aus, bis er das richtige Gleichgewicht gefunden hatte.
Die Zauberei dreht sich, wie alle anderen Künste auch, in erster Linie um die Befriedigung der eigenen Bedürfnisse. Zwar kann ein Zauberer das Wohl eines anderen im Sinn haben, wenn er einen Sturm aufziehen lässt oder eine Feuersbrunst entfacht und doch dient er ganz vorrangig seinen eigenen Bedürfnissen, seinen Freuden, Ängsten und Kümmernissen.
Um erfolgreich mit der Magie arbeiten zu können, muss ein Zauberer zuvor mit großer Sicherheit wissen, was er will und warum er es will. Andernfalls können die dunklen, verborgenen Tiefen seines Geistes die ungezügelten Mächte an sich reißen und sie für ganz andere Zwecke nutzen als für das, was der Zauberer eigentlich zu wollen glaubt.
Nun veränderte Myrddin seine eigenen Wahrnehmungsstrukturen, indem er die Sichtfähigkeit seines Unterbewusstseins mit seinem normalen Sehvermögen verband, so dass er seine Umgebung in einer anderen, gewissermaßen "verklärten" Sicht betrachten konnte.
Diese "Andere Sicht" ermöglichte es ihm, alle Regungen und Gefühle sämtlicher Organismen seiner Umwelt in Form von bunten Farben wahrzunehmen.
Mit dieser verklärten Sicht sah Myrddin jetzt die Palisaden des Feldlagers, die man aus den Stämmen frisch gefällter Fichten errichtet hatte. Noch immer war Leben in den Stämmen, denn Holz braucht sehr lange zum Sterben. Es würde ihm also noch gehorchen, wenn er ihm zu fallen gebot.
Im Innern der Palisaden leuchteten die Männer des Thuronenheeres, eine Myriade von Farben, welche Emotionen zeigten, die von der Langeweile bis zur Wut reichten - vorwiegend aber Farbtöne mit einem Übergewicht an Blau und Grau, den Farben zynischer Gleichgültigkeit.
"Klar, typische Soldaten", dachte Myrddin, dann löste er mit einem leisen Wort den Zauber aus, der jetzt aus ihm heraustrieb und auf das Lager zuglitt. Er wälzte sich von dem Magier fort, glitt langsam und lautlos über die feindlichen Truppen hinweg und stieß dann an die Grenzen, die Myrddin ihm gesetzt hatte, wo er verharrte und sich ruhelos bewegte.
In Myrddins verklärter Sicht war jetzt das ganze thuronische Feldlager eingehüllt von brodelndem Dunst, in dem die Gefühle und Regungen der Soldaten schwach leuchteten.
"Gut so", murmelte er, "Als Erstes mal eine sichtbare Drohung für sie."
In einem breiten Ring um das Lager herum wurde die Luft dunkler. Innerhalb kürzester Zeit umgab eine Art Wolkenwand das Lager, eine bedrohlich wogende, schwarze Nebelwand, die das Licht verschluckte und nur noch einen fahlen Schimmer an ihren Rändern erkennen ließ. Myrddin sah den Nebel im Takt seines eigenen Herzschlages pulsieren.
"Noch etwas dichter", flüsterte er.
Der Ring zog sich zusammen, bis er fast die Palisaden des Lagers berührte.
Die Soldaten im Innern der Nebelwand sahen sich unruhig um und äußerstes Unbehagen stieg jetzt in ihnen auf.
Myrddin konnte wahrnehmen, wie die stumpfen Blau- und Grautöne in trübes Violett übergingen, als die Männer den dunklen Nebel als etwas Unnatürliches erkannten. Es flackerte hell auf, als Schwerter aus den Scheiden gezogen wurden und das Metall blitzte dort schwach auf, wo Hände es berührten und ihre Unruhe darauf übertrugen.
Das letzte Licht schwand nun aus der Nebelwolke. Jetzt waren keine Sterne mehr da, kein Mond und nicht einmal mehr ein Horizont. Im Lager der Thuronen wuchs die Angst, bis der gesamte aufwirbelnde Dunst purpurn in Myrddins verklärter Sicht brodelte und die Soldaten immer aufgeregter umherliefen.
"Sehr gut. Und jetzt an die eigentliche Arbeit."
Er bot die Kraft seines Willens auf und unheimliche Gestalten begann sich aus dem dunklen Nebel zu lösen. Anfangs waren sie nur undeutlich zu erkennen, doch in dem Maße, in dem sich seine
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