Die Zwölf Türme (German Edition)
bist du für ein Ding?" dachte er fragend.
"Ich bin ein Elementar, ein Feuerwesen", lautete die Antwort, "Öffne deinen Geist, dann kannst du die Gestalt meines wahren Wesens sehen."
Und dann zeigte der Elementar ihm einen gewaltig lodernden Feuerball - ein Stern aus allernächster Nähe - und aus dieser strahlenden Kugel sprang plötzlich ein gewaltiger Flammenstrudel hervor, strömte heraus wie ein brennender Schleier, den ein stürmischer Wind mit sich weht. Dann bog er sich mit unglaublich wendiger Anmut in sich selbst und fiel in die riesige Flammensphäre zurück. Diese eine Feuersäule hätte ausgereicht, um sämtliche Städte und Wälder einer ganzen Welt in einem einzigen Augenblick niederzubrennen, doch das Wesen stellte die Darstellung seiner wahren Natur so beiläufig hin wie ein kleines, alltägliches Ereignis.
Ein Funke der Sonne, das war seine wahre Beschaffenheit, verborgen in einer Gestalt, die es beliebig verändern konnte. Jetzt war seine äußere Form die einer rotbraunen Stute, aber innerhalb dieser Form war das Herz eines Sternes eingeschlossen, eine unsägliche Feuersbrunst aus verzehrenden Flammen. Ein Potential in Ketten, das nach einem Ort suchte, an dem es sich austoben und verwirklichen konnte und dessen Ziel darin bestand, sich selbst auszubrennen, prachtvoll und rücksichtslos. Eine weitere Sternschnuppe, eine weitere Feuersbrunst, welche die Schöpfung in ihrem Trotz gegen die Dunkelheit der Nacht schleuderte. Es war weder gut noch böse, doch es war erfüllt von Neugierde und unstillbarem Erlebnishunger.
"Nun weißt du, was ich bin. Wenn du willst, werde ich dir zu Diensten sein", dachte der Elementar, "Aber wenn du meine Hilfe ablehnst, muss ich diese Welt leider wieder verlassen."
"Wie kannst du mir nützlich sein?" dachte Richard.
"Wäre ich denn nicht schon ein viel besseres Schlachtross als dieser lahme Gaul, auf dem du reitest?" fragte der Elementar zurück.
"Da hast du zweifelsohne recht", dachte Richard erheitert, "Ich nehme deine Dienste an, Elementar. Du kannst bei mir bleiben und vielleicht werden wir noch Freunde, denn seine Art gefällt mir."
"Du wirst es ganz sicher nicht bereuen, Feldherr", meinte der Feuergeist, "Doch sage mir, wie du mich nennen willst."
"Ich werde dich einfach FEUERSTERN nennen", antwortete Richard, dann rief er einen der Kuriere herbei, der ihm Sattel und Zaumzeug für sein neues "Schlachtross" bringen sollte...
Viele Meilen entfernt in Thyra, der Hauptstadt des Thuronenreiches:
Schäumend vor Wut starrte Mohantur in ein kupfernes Becken, das mit einer öligen, giftiggrünen Flüssigkeit gefüllt war, aus der übel riechende Dämpfe stiegen. In diesem aus den verschiedensten Essenzen gemischten Gebräu spiegelten sich die Bilder vom Debakel der Thuronenarmee in gespenstischer Lautlosigkeit wider. So wurde der dunkle Magier Augenzeuge dessen, was viele Meilen weit entfernt mit seinen Invasionsarmeen geschah, als Myrddin Emrys seinen Illusionszauber wirkte und einen Feuer-Elementar auf das Lager der Thuronen hetzte.
Durch die Augen eines Waffenknechtes, dessen Geist er aus der Ferne beherrschte, sah Mohantur, wie die Soldaten in alle Richtungen auseinander liefen, eine kopflose, panikerfüllte Masse, die keinen Befehlen mehr gehorchte.
Mit einem gehässigen Fluch lehnte sich Mohantur in seinen mit Schlangenhaut bespannten Stuhl zurück und schloss die Augen, um die neue Situation zu überdenken und neue Pläne zu entwerfen.
Es würde mindestens einen vollen Tag dauern, bis sich das verstreute Heer wieder gesammelt hatte. Einen weiteren Tag würde es brauchen, um wieder für den Weitermarsch bereit zu sein. In der Zwischenzeit aber konnte der Anderweltgeneral die Zeit nutzen und den Thuronen entgegenziehen, um sie zur Schlacht zu zwingen, wobei er zudem noch den Vorteil hatte, auf eine durch Zauberei demoralisierte Armee zu treffen, deren Kampfstärke dadurch erheblich geschwächt war.
"Nein", sprach Mohantur leise zu sich selbst, "das kann ich nicht zulassen. Erst bei Hamiti darf es zur entscheidenden Schlacht kommen, denn in der Nähe des Dämonenlandes habe ich die größeren Vorteile."
Der Dämonenlord in der Gestalt des thuronischen Kaisers erhob sich und ging ruhelos in seinem Turmgemach auf und ab, während er sich das Hirn auf der Suche nach einer Lösung zermarterte. Plötzlich aber hielt er inne; ein hämisches Grinsen verzerrte seine Lippen, denn ihm war ein so genialer Schachzug eingefallen, dass er sich wunderte,
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