Die Zwölf Türme (German Edition)
Sekundenbruchteile später nahmen ihre Körper wieder feste Formen an, doch da befanden sie sich bereits viele Meilen weit von Hamiti entfernt vor den steinernen Mauern der Zwölf Türme, die wie gewaltige Monumente in einen bleifarbenen Himmel ragten.
Kaum waren sie dort mitsamt ihren Pferden materialisiert, da brach Myrddin haltlos zusammen und stürzte zu Boden, noch bevor Uta und Manela ihn halten konnten.
"Ich bin am Ende", ächzte der Zauberer mühsam, "Nun kann ich Euch nicht mehr helfen. Meine Lebensenergie wird nicht mehr erneuert, denn die Macht des Lichts ist nahezu erloschen, so dass ich die Quelle meiner Kräfte nicht mehr erreichen kann. Ich muss schnellstens von hier fort, sonst werde ich sterben."
"Wie ist das nur möglich?" rief Manela, der Verzweiflung nahe, "Jahrhundertelang habt Ihr dem Alter und dem Tod getrotzt. Warum verlässt Euch jetzt nur all Eure Kraft?"
"Wie alle Dinge hat auch die Magie eine gute und eine schlechte Seite", erklärte Myrddin fast flüsternd, "Sie machte mich zwar fast unsterblich, aber sie raubte mir auch meine Jugend und meine Fähigkeit, Kinder zu zeugen. Immer, wenn ich ihre Macht benutze, verliere ich einen Teil meiner Lebenskraft. Deshalb müssen meine Kräfte immer wieder im gleichen Maße erneuert werden, wie sie verbraucht wurden, sonst muss ich sterben. Dazu jedoch bedarf es einer Quelle, aus der ich neue Energien schöpfen kann. Ein Magier, der keine solche Quelle hat, stirbt schon in sehr jungen Jahren, wenn seine Macht ihm die letzten Lebenskräfte geraubt hat. Nun aber ist mir der Zugang zur Quelle meiner Energien versperrt, denn die Türme können die Verbindung nicht mehr offen halten. Ich bin wie ein Baum, der von seinen Wurzeln getrennt wurde, darum muss ich dorthin, wo meine Wurzeln sind."
"Aber wie sollen wir denn diesen Titanen ohne Eure Hilfe aufhalten?" fragte ihn Uta, "Keine Waffe kann ihn töten, nicht einmal Ihr Magier habt es geschafft und sogar Mohantur musste trotz all seiner Macht unterliegen."
"Ich habe noch eine letzte Waffe gegen Crantor", sprach Myrddin und holte aus den Falten seines Gewandes einen faustgroßen Kristall hervor, in dessen Innern eine kleine, helle Flamme zu brennen schien.
"Ihr müsst diesen Kristall gegen ihn schleudern. Aber Ihr dürft ihn nicht verfehlen, denn dies ist das letzte Mittel, das ihn noch aufhalten könnte. Ich weiß nicht, ob diese Waffe wirkungsvoll genug ist, um das drohende Unheil noch abzuwenden, aber eine andere Möglichkeit habe ich nicht mehr. In diesem Kristall ist Wilde Magie eingeschlossen, deren Kraft kaum beherrschbar ist. Wenn sie außer Kontrolle gerät, kann ihre Energie Eure ganze Welt in ihren Grundfesten erschüttern. Es ist die einzige Kraft, die Crantor jetzt noch aufhalten kann. Doch jetzt muss ich Euch verlassen, bevor mein Leib zu Asche zerfällt."
"Wohin werdet Ihr gehen, Myrddin?" rief Manela, während sich seine Gestalt bereits aufzulösen begann.
"Nach AVALON!" hörten sie ihn wie aus weiter Ferne rufen, dann war er verschwunden, als hätte es ihn niemals gegeben...
Manela und Uta brauchten nicht lange auf Crantors Kommen zu warten. Bald schon sahen sie in der Ferne einen Punkt, der rasend schnell näher kam und schon kurz darauf als Reiter in rötlich schimmernder Rüstung zu erkennen war, der mit der Geschwindigkeit eines Kometen durch das tote, trostlose Land galoppierte.
Die beiden Kriegerinnen stiegen in die Sättel ihrer Pferde und ritten dem Krieger der Finsternis entgegen.
Nachdenklich und zweifelnd betrachtete Uta den Kristall in ihrer Hand.
Würden sie den goldenen Riesen damit aufhalten können?
Sie wussten beide, dass ihr Versuch ein Akt der Verzweiflung war, ein letztes, trotziges Aufbäumen gegen ein drohendes, schreckliches Schicksal.
"Du darfst ihn nicht verfehlen, Uta", sprach Manela in fast beschwörendem Tonfall, "sonst ist alles verloren."
"Ich hoffe nur, dass diese seltsame Waffe stark genug ist, ihn zu töten", murmelte Uta.
Schweigend hielten sie ihre Pferde an und blickten dem Atlantiden entgegen, der jetzt den rasenden Lauf des Elementars gebremst hatte und im gemächlichen Trab näher kam.
Etwa zehn Schritte vor den beiden Frauen aus Yathir hielt er an und in seinen fremdartigen Zügen zeigte sich ein anerkennendes Lächeln.
"Ihr habt wahrhaftig großen Mut, Kriegerinnen", sprach er zu ihnen, "Eure Sache ist längst verloren und doch wollt Ihr immer noch kämpfen. Ich habe immer gewusst, dass wahrer Mut und wahre Tapferkeit
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