Die Zypressen von Cordoba
hatte, als Habbus ihm den Umhang des Wesirs um die
Schultern legte. »Übe dich in Bescheidenheit, mein Sohn, übe dich in
Bescheidenheit. Das ist der Preis für das Überleben.« Immer wieder
erinnerte er sich an diese letzten Worte seines Vaters, immer wieder
machten sie ihm deutlich, daß er mit der Tradition des Hauses Ibn Yatom
gebrochen hatte. Zu Leonora sagte er davon kein Wort. Sie konnte ihm
nicht helfen, denn es gab keinen Weg zurück. Als Wesir konnte er es
sich nicht leisten, die Salons und Säulengänge der großen Häuser
Granadas zu meiden, denn in deren Schatten wurden Intrigen geschmiedet,
vertrauliche Gespräche belauscht. Auch das war ein Preis, den er zahlen
mußte, um zu überleben.
Zu Leonoras Kummer – sie liebte es, ihn im vollen
Ornat seines Amtes zu sehen – hatte er an diesem Abend nicht
seinen golddurchwirkten Umhang umgelegt, denn es war kein offizieller
Anlaß. Schlicht gekleidet bewegte er sich durch die glänzende
Versammlung, hörte zu, stellte manchmal Fragen, ließ aber selten selbst
etwas verlauten … Hinter einem feinen, durchbrochenen
Wandschirm zupften Musiker in scharlachroten und gelben Roben mit
Adlerfedern an ihren fünfsaitigen Harfen, doch heute klang ihm die
Musik mit ihren starren Rhythmen schrill im Ohr. Er war erleichtert,
als sie endlich verstummte, mußte dann aber einem der Gäste lauschen,
der ein mittelmäßiges Gedicht zum Lob und Preis des ›Schwertes des
Königtums‹ rezitierte. Als die Musiker erneut die Instrumente
aufnahmen, spazierte Amram in den Garten hinaus, den die anderen Gäste
verlassen hatten, sobald die Nacht kühl geworden war. Lustlos zerrieb
er einen Zweig Jasminblüten zwischen den Handflächen und atmete den
Duft tief ein. Das einzige Vergnügen für die Sinne am ganzen Abend,
dachte er gerade übellaunig, als er Abu Alis vertraute Schritte hörte,
die vom Haus her auf ihn zukamen.
»Ihr enthaltet uns heute abend Eure glänzende Gesellschaft
vor«, bemerkte sein Gastgeber. »Bedrückt Euch etwas?«
»Eine zeitweilige Müdigkeit, mehr nicht. Meine Frau Leonora
ist ihrer Zeit nahe, und ich sorge mich um sie.«
»Wie gut, daß Ihr trotzdem gekommen seid. Wie überaus wichtig,
möchte ich sogar sagen.«
Amram verbarg das Gesicht in den zerdrückten Jasminblüten,
während er darauf wartete, daß Abu Ali fortfuhr.
»Mein getreuer Freund, König Habbus hat gerade einen
unerhörten Brief von Abu Dja'far Ahmad ibn Abbas, dem Wesir von
Almeria, diesem eingebildeten jungen Emporkömmling, erhalten.«
»Ein großer Gelehrter und Literat«, bemerkte Amram und hob den
Kopf.
»Darin stimme ich Euch gern zu, aber von einer maßlosen
Selbstbezogenheit. Er mag mit seiner Abstammung von den Gefolgsleuten
Mohammeds prahlen, aber das verleiht ihm noch lange nicht das Recht,
diejenigen zu verachten, deren Mut auf dem Schlachtfeld ihnen die
Oberhand über die Araber geschenkt hat, die sich als unfähig erwiesen
haben, das eroberte Land in ihrer Gewalt zu halten. Es schmerzt ihn
zutiefst, daß er einem ehemaligen Sklaven und Söldner dienen muß, und
einem Eunuchen noch dazu. Und für uns Barbaren, die er als wilde
Krieger ohne jegliche Bildung, Kultur und verfeinerte Sitten sieht, hat
er nichts als offene Verachtung übrig. All das mag einmal wahr gewesen
sein, aber die Zeiten ändern sich, und schon bald werden unsere Paläste
es mit dem Glanz und Prunk der Omaijaden aus vergangenen Zeiten
aufnehmen können. Da er weiß, daß er uns die Macht nicht entreißen
kann, sucht er nun andere Opfer, an denen er sein Mütchen kühlen kann.«
Amram, äußerlich gefaßt, bereitete sich innerlich auf das vor,
was nun folgen mußte.
»Sein jüngster Schachzug besteht darin, daß er sich als
Verfechter des Islam ausgibt. In diesem Sinne hat er an uns geschrieben
und verlangt, daß Euch, mein Freund, der Titel eines Wesirs aberkannt
wird, da es gegen die Gesetze des Islam verstoße, wenn ein Jude Macht
über Moslems ausübt.«
»Wenn dies der Wunsch unseres Herrschers ist …«,
murmelte Amram, dem Hais Worte im Kopf widerhallten.
»Na, na«, lächelte Abu Ali und gab Amram einen
freundschaftlichen Klaps auf die Schulter. »Könnt Ihr Euch vorstellen,
daß sich die Berber von Granada einem solchen Pfau beugen? Wer ist denn
Almeria zu Hilfe geeilt, als die Abbaditen aus Sevilla angriffen? Und
wer hat den Gegenangriff gegen die geführt, die ebenso unsere Feinde
wie die Almerias sind? Ihr habt unserem König mit unverrückbarer Treue
und ungewöhnlich
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