Die Zypressen von Cordoba
für immer gewichen, und mit ihm in der Flut ihrer
reinigenden Tränen auch der Schmerz. Sie mußte hierbleiben, ihren Sohn
beschützen, ihn in den Armen wiegen, ihn an ihrer Brust nähren, ihn
trösten, wie sie selbst getröstet worden war. Niemals würde sie ihn
verlassen, so daß er die Prüfungen des Lebens allein bestehen mußte.
Niemals, so lange sie Atem in sich verspürte.
An der gegenüberliegenden Seite des Gartens weinte auch
Djamila an ihrem Fenster – heiße Tränen des Grolls und des
verletzten Stolzes. Nicht um ihrer selbst willen, versuchte sie sich
einzureden. Da'ud hatte aus seinen Absichten nie einen Hehl gemacht,
als er sie zur zweiten Frau nahm. Sie hatte den Handel, den er ihr
angeboten hatte, bereitwillig angenommen. Sie hatte nur sich allein die
Schuld zuzuschreiben. Wie offenkundig er sie auch ignorierte, sie war
jetzt und in Zukunft Mitglied seines Haushaltes, mit all dem Respekt
und all den Annehmlichkeiten des Lebens, die ihr in dieser Rolle
zustanden. Nein, sie weinte um Amira, seine Tochter, deren Existenz er
nicht zu Kenntnis nahm. Der Anblick der festlichen Menge, die draußen
versammelt war, ließ in ihr eine Welle der Auflehnung emporsteigen,
trieb ihr vor Wut das Blut in den Kopf. Für Hai wurde eine öffentliche
Feier veranstaltet, wie es sie in den Annalen dieser zurückhaltenden,
aber mächtigen Familie noch nie gegeben hatte. Für Amira hatte es
nichts gegeben. Gar nichts. Kaum eine Familienfeier. Daß Da'ud seit der
Geburt ihrer Tochter ihr Bett gemieden hatte, war eine Beleidigung, die
sie sich zu ertragen zwang. Aber daß er keinerlei Zuneigung zu seinem
erstgeborenen Kind zeigte, war etwas, das sie ihm nicht vergeben konnte
und wollte.
Ihre Freundinnen, die Schwestern Bar Simha, die gekommen
waren, um ihr während der Zeremonie Gesellschaft zu leisten, versuchten
sie nach Kräften zu trösten. Niemals würden sie die Erniedrigung
vergessen, die sie über sich ergehen lassen mußten, als Da'ud sie
abwies und einem Findelkind den Vorzug gab, das er auf dem Sklavenmarkt
aufgegabelt hatte. Es wurde kein einziges Wort zwischen ihnen und
Djamila gewechselt, aber sie verstanden sich auch so vollkommen.
Während man den Schwestern jedoch beigebracht hatte, ihren Groll zu
unterdrücken und sich ergeben in ihr Schicksal zu fügen, war Djamila
aus anderem Holz geschnitzt. Sie war ein unabhängiger Geist, in ihr
brodelte die Auflehnung, sie weigerte sich, ihr Schicksal einfach
hinzunehmen. Plötzlich hörte sie auf zu weinen, richtete sich voller
Stolz auf und sagte mit ruhiger, entschlossener Stimme zur Amme ihrer
Tochter: »Fatma, komm und sieh dir die Zeremonie an. Ich kümmere mich
um Amira.«
Gespanntes Schweigen herrschte in der versammelten Menge,
viele Augenpaare ruhten auf Rabbi Ezras Händen: Ibn Zuhrs
durchdringender Habichtblick war voller Unruhe. Da'uds unvergleichliche
äußerliche Ruhe wurde Lügen gestraft durch das unruhige Nesteln seiner
Hände an der silbernen Borte seines Gewands. In Rabbi Samuels alten
Augen standen Tränen des Mitleids. Saris Augen waren vor Angst fast
blind. Und Djamilas Augen funkelten vor Groll. Mit einer schnellen,
geschickten Bewegung seines glänzenden Messers nahm Ezra den kleinen
Hai ben Da'ud ibn Yatom in den uralten Bund Gottes mit dem Volk Israel
auf. Im Gartenhof erhob sich lautes Geschrei, als die versammelte Menge
Segenswünsche über das Kind und über das Haus Ibn Yatom ausschüttete.
Auf diesen Augenblick hatte Djamila gewartet. Mit einer
ausladenden Bewegung ihrer kräftigen Arme hob sie Amira hoch und trug
sie mit festen, sicheren Schritten nach draußen in den Garten. Dort
stand sie, trotzig, herausfordernd inmitten der erlesenen
Männergesellschaft, in frecher Mißachtung aller Sitten. Ihre mutige,
störrische Haltung war ein verzweifelter Protest: Und mein Kind, deine
Tochter, ist sie nicht auch würdig, von den Menschen gesegnet zu
werden? Zutiefst erschreckt von der drängelnden Menschenmenge, ließ
Amira einen durchdringenden Schrei ertönen. Die Köpfe wandten sich zu
dem Störenfried um. Ängstliche Blicke flogen zum Hausherren. Aber Da'ud
schien sich der Unruhe nicht bewußt zu sein. Nun schwollen Amiras
Schreie zu einem ohrenbetäubenden Gebrüll an. Mit einer Kraft, die man
ihrem kleinen Körper nicht zugetraut hätte, schlug sie wild mit Armen
und Beinen um sich, versuchte sich mit aller Macht aus der Umklammerung
ihrer Mutter zu befreien. Djamila unternahm nichts, um sie
zurückzuhalten. Sie drängte zu Da'ud,
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