Die Zypressen von Cordoba
können. Der bloße Gedanke, dich im
Kindbett zu verlieren, hätte mich Tag und Nacht verfolgen müssen. Aber
es war nicht so. Von dem Augenblick an, als du dich mir so großzügig,
so vollkommen geschenkt hast, mit grenzenloser Liebe und schrankenlosem
Vertrauen, da wußte ich in meinem Innersten, daß unsere Vereinigung vom
Himmel gesegnet war. So wie ich beim erstenmal, als dich meine Augen
erblickten, wußte, daß ich mein ganzes Leben lang dich und nur dich
lieben würde, so hatte nun die unerschütterliche Überzeugung von mir
Besitz ergriffen, daß Hai dazu bestimmt war, gesund und sicher in diese
Welt zu kommen, das lebendige Symbol unserer Vereinigung, das Zeugnis
unserer Liebe, bestimmt dazu, sie fortzusetzen.«
»Und doch haben die Hebammen die Geburt nicht als leicht
bezeichnet. Sie waren sehr besorgt. Einen Augenblick lang dachte ich,
man hätte mir ein Stück meiner selbst mit Gewalt entrissen.«
Da'ud wartete einen Augenblick, ehe er antwortete. »Ich habe
mit ihnen gesprochen.«
»Es wird keine weiteren Kinder geben, nicht wahr?«
»Vielleicht nicht. Das kümmert mich nicht. Ich habe nicht das
Verlangen, dich noch einmal so leiden zu sehen. Ich habe dich, und ich
habe unser Kind der Liebe, Hai, dessen Name ›Leben‹ heißt. Mit zwei
solchen Schätzen wäre es vermessen, um noch mehr zu bitten.«
»Und du hast Amira – und Djamila ebenso.«
Da'ud brachte sie mit einer Handbewegung zum Schweigen. »Sie
hat ihren Zweck erfüllt«, sagte er nüchtern und bestimmt.
Hais leises Weinen beendete das Gespräch. Sari eilte in ihren
Flügel des Hauses zurück, um ihr neugeborenes Kind zu stillen, während
Da'ud die Ärmel seines dunklen Gewandes zurechtzupfte und die Gäste
empfangen ging.
Rabbi Samuel Ben Mar Shauk, der ehrwürdige Gelehrte aus
Lucena, kam als erster. Er war noch nie von kräftiger Gestalt gewesen,
inzwischen jedoch gebrechlich und ein wenig zitterig geworden, und sein
dünner weißer Bart gemahnte an den feinen Wasserschleier, der über dem
Wassergarten schwebte. Tränen der Rührung standen ihm in den schwach
gewordenen Augen, als er seinen ehemaligen Schüler umarmte, der sich
von Anfang an als hervorragender Denker gezeigt und Großes versprochen
hatte. Was für ein Vergnügen war es gewesen, ihm die Schönheit der
biblischen Sprache und ihrer poetischen Bilder zu vermitteln, ihm die
Weisheit der Talmudgelehrten zu erläutern. Welche Befriedigung hatte
ihm die Gewißheit verschafft, daß jedes seiner Worte vom wachen
Verstand dieses Jungen aufgenommen und dort sorgfältig abgewägt wurde.
Selbst wenn Da'ud in seinem späteren Leben die Einhaltung bestimmter
Regeln, die seiner Meinung nach mit seinem Alltag nicht vereinbar
waren, weniger ernst genommen hatte, so war er sich ihrer doch bewußt
und hatte eine wohlüberlegte eigene Entscheidung getroffen. Dafür
konnte ihm Rabbi Samuel im Grunde seines Herzens keinen Vorwurf machen.
Er war zutiefst gerührt über die Ehre, die Da'ud ihm hatte zuteil
werden lassen, als er ihn zum Paten für Hai ausgewählt hatte. Obwohl
Rabbi Samuel wußte, daß ihn die Reise aus der Abgeschiedenheit Lucenas
in die geschäftige Stadt Córdoba, die einmal seine Heimat gewesen war,
sehr ermüden würde, hätte ihn nichts bewegen können, diese Ehre
auszuschlagen. Als nun seine schwachen Arme die schmale, ernste Gestalt
Da'ud ibn Ya'kub ibn Yatoms, des mächtigsten Juden in ganz al-Andalus,
umfingen, da murmelte er ein Dankgebet, daß Gott ihn am Leben erhalten
und dafür gesorgt hatte, daß er diesen Tag erleben durfte. Da'ud war
gerührt und zutiefst zufrieden. Die Wahl Rabbi Samuels zum Paten hatte
ihm nicht nur die Möglichkeit gegeben, seinen Mentor zu ehren, er
entging so auch der Gefahr, eifersüchtige Streitereien zwischen den
prominenten Mitgliedern der Gemeinde heraufzubeschwören, die alle um
seine Gunst buhlten.
Gleich hinter Rabbi Samuel erschien Rabbi Ezra, der
Beschneider, dem Abu Sa'id und Abu'l Kasim unmittelbar folgten. Nachdem
die beiden Ärzte Da'ud begrüßt hatten, unterhielten sie sich mit Rabbi
Ezra über die sicherste und schnellste Art, die Vorhaut eines
Neugeborenen zu entfernen. Mit der Miene der absoluten Autorität fuhr
Ibn Zuhr mit dem Finger über die scharfe Klinge des Messers, das der mohel benutzen würde, während Abu'l Kasim überprüfte, ob der
Schlitz zwischen den lotosförmigen silbernen Blättern der Schutzklemme,
die den Penis des Säuglings abschirmen würde, die richtige Breite
hatte. »Diese Instrumente
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