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Die Zypressen von Cordoba

Die Zypressen von Cordoba

Titel: Die Zypressen von Cordoba Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yael Guiladi
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lachte nicht mehr, war selbst durch die Gewalt von
Menahems offenem Geständnis in Aufruhr geraten.
    »Ihr geht jetzt besser«, sagte Menahem und griff wieder zur
Feder, als seine grauen Augen – in denen Tränen
schimmerten – ihre Verwirrung bemerkten. »Da Da'ud nicht im
Hause ist, werden sich die Diener die Mäuler zerreißen, wenn Ihr zu
lange bei mir bleibt, und schon bald wird irgendeine unschuldige
Bemerkung von meinen Feinden zu bösartiger Verleumdung aufgeblasen.«
    »Feinde? Wie könnte ein so milder und zurückhaltender Mann wie
Ihr Feinde haben?« rief Djamila aus.
    »Jeder Mann von einigen Fähigkeiten hat Feinde, sobald er
seinen Fuß in die Stadt Córdoba setzt. Seine bloße Existenz gefährdet
den Status, den Einfluß oder den Ruf irgendeines anderen. In meinem
Fall kommt die Feindseligkeit von Seiten der Gelehrten, aber deswegen
ist sie um nichts weniger boshaft. Fragt Euren Vater, wenn Ihr ihn das
nächste Mal besucht. Er kann Euch das besser erklären als ich«, schloß
Menahem knapp und beugte den Kopf mit entschiedener Miene über die
Papiere, zum Zeichen, daß er das Gespräch für beendet hielt.
    Djamila ging mit raschen Schritten zum Wassergarten zurück.
Ihr einziges Bestreben war, vor den Augen der Dienerschaft die
Verwirrung zu verbergen, die Menahems Liebeserklärung in ihr gestiftet
hatte.
    »Komm«, rief sie Amira zu, die ihre Murmeln am Rand des
Wasserlaufs entlangrollte, »wir gehen doch noch deinen Kanarienvogel
kaufen.« Mit einer schwungvollen Bewegung packte sie ihre Tochter bei
der Hand und zog sie mit sich. Die beiden gesellten sich zu den
Städtern, die aus allen Richtungen zum Marktplatz strömten. Obwohl ihr
sonst das Gedränge und der Lärm mißfielen, stellte Djamila fest, daß
sich in der Anonymität der Menge ihre Verwirrung hervorragend verbergen
ließ. Wer hätte gedacht, daß in diesem nichtssagenden, wenig
ansehnlichen Körper eine so empfindsame Seele hauste? überlegte sie
verwundert, während sie sich an einem staubbedeckten Esel
vorbeidrückte, dessen Sattelkörbe voller strahlend bunter
Frühlingsblumen waren. Daß er die ganze Zeit über davon geträumt hatte,
sie und Amira aus ihrem jetzigen Leben zu erlösen? Und doch war das
vielleicht nicht so überraschend. Wenn ein Mann sich so ausschließlich
einer Aufgabe widmen konnte, an die er mit glühendem Herzen glaubte,
warum sollte er dann nicht fähig sein, denen, die er liebte, ähnliche
Hingabe zu zeigen? Wie wunderbar das Gefühl sein mußte, so zu lieben
und geliebt zu werden, wie Da'ud Sari liebte und sie ihn. Sie hatte das
nie erfahren … Es stimmte, und Menahem hatte es selbst mit
entwaffnender Offenheit gesagt: er war kein Mann, in den sich ein
junges Mädchen Hals über Kopf verliebte. Doch hatte er so viel
Verständnis für das Menschenherz, was ihr weit kostbarer schien als
alle oberflächlichen, noch so bezaubernden Hofmanieren Da'uds. Wie
seltsam es wäre, überlegte sie weiter, wenn es durch irgendeinen
unwahrscheinlichen Lauf der Ereignisse ausgerechnet ihr zufallen
sollte, Menahem in der Kunst der Liebe zu unterweisen, in die Da'ud sie
mit solchem Geschick eingeführt hatte? Absurd, lächelte sie traurig vor
sich hin, als sie diesen Gedanken verwarf, denn obwohl in ihr eine
gewisse Wärme aufflackerte, weil sie merkte, daß sie geliebt wurde,
fühlte sie doch kaum mehr als vages Mitleid mit diesem ehrenwerten
Mann, dessen Liebe sie nicht erwidern konnte.
    Aber sie würde ihren Vater nach denen fragen, die er seine
Feinde genannt hatte, um herauszufinden, ob es sie wirklich gab oder ob
sie nur das Hirngespinst eines Mannes waren, der einen Groll gegen
seinen Herrn hegte und gegen alles, für das dieser stand. So in
Gedanken versunken, kaufte Djamila nach kaum einer Sekunde Feilschen
für Amira den buntesten, rundlichsten, teuersten Kanarienvogel auf dem
Markt zusammen mit einem schönen Käfig aus Schmiedeeisen. Fröhlich
kehrten die beiden nach Hause zurück und hängten den Vogel gegenüber
von Hais Papagei an die Wand. Der kreischte immer noch »Ayi! Ayi!«

23
    W o ist Amira? Sie ist doch hoffentlich
nicht krank?« fragte Bahya ibn Kashkil besorgt, als er seiner Tochter
spät an einem Sabbatnachmittag die Tür zu seinem bescheidenen Heim
öffnete.
    »Sie war fest eingeschlafen, als ich das Haus verließ, und ich
habe es nicht übers Herz gebracht, sie zu wecken«, log Djamila. Das
Gespräch, das sie mit ihrem Vater führen wollte, war für Kinderohren
nicht geeignet …
    Bahya nickte

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