Die Zypressen von Cordoba
enttäuscht. Er stellte nicht in Frage, daß das
Wohlergehen der Jugend wichtiger war als das Glück der Alten, aber wenn
diese Jungen eine Vorstellung hätten, wie groß die Freude war, die ihre
fröhliche, unschuldige, lichterfüllte Gegenwart in das verebbende Leben
der Älteren brachte, wie gern würden sie dann auf ein wenig Schlaf
verzichten, um ihnen dieses ungeheure Vergnügen zu bereiten …
Aber davon sagte er kein Wort zu seiner Tochter. Um nichts auf der Welt
wollte er mit nutzlosen Vorwürfen das Vergnügen trüben, das ihm ihre
kurze Anwesenheit schenkte.
»Also, meine Liebe«, begann er, goß ihr einen Becher Wein ein
und bot ihr ein paar trockene Kekse an, die er auf einen alten
Zinnteller gelegt hatte. Der Teller war zwar verbeult, doch eines der
wenigen Besitztümer, das er aus seinem früheren Zuhause mitgebracht
hatte. Heute beschwor sein Anblick in Djamila eine schwindelerregende
Welle des Heimwehs herauf, die sie mit aller Gewalt unterdrücken mußte.
»Wie geht es zu Hause, jetzt da der Herr nicht bei Euch weilt?«
»Wie immer. Da'ud ist so mit seinen vielen öffentlichen
Pflichten beschäftigt, daß ich ihn auch dann kaum sehe, wenn er in der
Stadt ist. Ich hatte gehofft, daß sein neuer Sekretär ihn ein wenig
entlasten würde, aber das scheint nicht der Fall zu sein.«
»Das überrascht mich nicht. Menahem ist eine viel zu
umstrittene Persönlichkeit, als daß Da'ud ihm große Verantwortung für
die Angelegenheiten der Gemeinde abtreten könnte.«
»Umstritten? Ein so zurückhaltender, bescheidener Mann?«
»Das ist er nur dem äußeren Schein nach, fürchte ich. Auf
seinem Arbeitsgebiet hat er sehr ausgeprägte Meinungen, die er ohne
Zögern verteidigt. Er hat sich stets kritisch darüber geäußert, daß
unsere Dichter arabische Themen und Metren in die hebräische Verskunst
übernehmen. Erst kürzlich ist es bei einem Treffen von Literaten zum
offenen Disput gekommen, als Saul ben Hayyuj ein neues Gedicht vortrug,
in dem er ein Weinfest pries, das in einem herrlichen Frühlingsgarten
abgehalten wurde. Äußerst erbost griff Menahem vor der versammelten
Gesellschaft Saul offen an, und es waren, wie ich höre, auch ein, zwei
arabische Dichter anwesend, die Saul oft besucht.
›Es ist höchst unmoralisch‹, hat Menahem wohl erklärt, ›ein
solches Vergnügen zu besingen, während das Heilige Land in den Händen
der Fremdlinge ist und der Tempel in Ruinen liegt. Mehr noch, der
Weingenuß lenkt die Männer vom Studium der Bibel, unseres geheiligten
Erbes, ab. Diese Sitte ist mit unserer Tradition nicht vereinbar.‹
Saul ignorierte den Zwischenfall, denn das reichliche Lob, das
seine Zuhörer ihm spendeten, wog bei weitem diese Einzelstimme auf, die
sich gegen ihn erhoben hatte. Ich nehme an, er wollte Menahems Kritik
auch keine zu große Bedeutung verleihen, indem er sie öffentlich
zurückwies. Doch damit war die Geschichte noch nicht zu Ende. Da Saul
nun einmal ein stolzer und arroganter Mann ist, der über beträchtliche
Mittel verfügt, beschloß er, sich auf weit subtilere Weise zu rächen.
Seit jenem Abend verbreitet er das Gerücht, das Lexikon, an dem Menahem
arbeitet, sei kaum mehr als eine Kopie der Werke aus der Schule des
Saadiah Gaon in Babylonien und der einzige Unterschied läge darin, daß
Menahem sich stur weigere, irgendeinen Vergleich zwischen der
hebräischen und der arabischen Sprache zuzulassen. Noch erlaube er uns
den Gebrauch arabischer Wörter oder grammatikalischer Prinzipien zur
Erklärung. Also müsse er hebräische Entsprechungen für bestimmte
arabische Ausdrücke erfinden, die außer ihm selbst niemand verstehen
könne. Doch das ist nicht Sauls einzige Waffe. Man sagt, er ermutige
inzwischen einen seiner jungen Studenten, zu beweisen, daß die
hebräischen Wortstämme nicht aus einem, zwei, drei oder manchmal sogar
mehr Buchstaben bestehen, wie Menahem mit großen Mühen beweisen will,
sondern daß sie nach einer allgemeinen Regel immer drei Buchstaben
enthalten.«
»Und wen unterstützt Da'ud in dieser Debatte?«
»Mit der für ihn typischen Schlauheit keinen. Er spielt den
einen gegen den anderen aus, um sich so seine eigene Vorherrschaft zu
sichern, aber ich denke, seine Sympathien gehören Saul. Er hat stets
die Übernahme arabischer poetischer Regeln durch unsere hebräischen
Dichter befürwortet. Obwohl das arabische Versmaß nicht zum Geist der
hebräischen Sprache passen will und obwohl Wein- und Liebesgedichte
tatsächlich unserer Tradition
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