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Dieb meines Herzens

Dieb meines Herzens

Titel: Dieb meines Herzens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Quick
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6
    Zwei Stunden später
     
     
    Delbridge lief in der langen Galerie auf und ab, ohne Molly Stubtons blutigem Leichnam Beachtung zu schenken. Sie war im Moment das geringste seiner Probleme. Er war wütend. Außerdem war er in höchster Sorge.
    »Was zum Teufel ist denn mit den Wachen los?«, fragte er Hulsey.
    Dr. Basil Hulsey schüttelte den Kopf und befingerte seine Brille. Seinem ergrauenden Haarkranz, dessen schäbige Büschel wie ein zerzauster, unter Strom stehender Heiligenschein vom Kopf abstanden, war anzusehen, dass er seit geraumer Zeit weder gewaschen noch geschnitten worden war. Seine ständig verknitterte Jacke und die Schlabberhose schlotterten um einen skelettartigen Körper. Unter der Jacke trug er ein einstmals weißes Hemd, das von den zum Teil schon Jahre alten Flecken chemischer Substanzen einen graubraunen Ton angenommen hatte.
    Alles in allem sah Hulsey aus wie das, was er war: ein brillanter, exzentrischer Wissenschaftler, den man in aller Herrgottsfrühe aus seinem Labor gezerrt hatte, einem Labor, das Delbridge finanzierte.
    »Ich habe keine Ahnung, was den Wachen fehlt«, stammelte Hulsey nervös. »Mr Lancing brachte sie in die Küche, wie Sie es angeordnet hatten. Wir beide versuchten, sie zu wecken. Wir überschütteten sie mit kaltem Wasser. Keiner rührte sich.«
    »Ich würde sagen, dass sie zu viel Gin getrunken haben«,
erwiderte Lancing. Er klang elegant gelangweilt, seine gewohnte Stimmung, wenn er sich nicht seinem Lieblingssport widmete. »Aber keiner riecht nach Alkohol.«
    Hulsey widmete sich angelegentlich der Reinigung seiner Brillengläser. Außerhalb seines Labors wirkte er stets unruhig, ganz besonders, wenn er sich mit Lancing in einem Raum befand. Delbridge konnte es ihm nicht verargen. Es war, als würde man eine Maus zwingen, mit einer Viper einen Käfig zu teilen.
    Delbridge unterzog die Kreatur namens Lancing einer genauen Betrachtung, wobei er seine eigenen Vorbehalte gegen den Mann verbarg. Anders als Hulsey war ihm klar, dass es unklug war, sich Furcht anmerken zu lassen. Oder aber er war geübter im Verbergen seiner instinktiven Reaktionen.
    Er kochte vor Wut, wusste aber genau, dass er vorsichtig sein musste. Im grellen Licht einer Wandleuchte glich Lancing einem Engel aus einem Renaissancegemälde. Er war ein ausnehmend schöner Mann mit Augen von tiefem Saphirblau und so hellen Haaren, dass sie fast weiß wirkten. Frauen umschwirrten ihn wie Motten das Licht. In Lancings Fall aber trog das Aussehen; der Mann war ein kaltblütiger Killer. Jagd und Mord waren sein Leben, und sein bevorzugtes Wild war menschlich, vorzugsweise weiblich. Er war beängstigend erfolgreich dabei. Tatsächlich war er von Natur aus mit einer Begabung ausgestattet, sich an seine Opfer anzupirschen und sie zur Strecke zu bringen, die man nur als übernatürlich bezeichnen konnte. Waren seine paranormalen Jagdinstinkte erwacht, konnte er sein Opfer wittern.
    Weiters war er mit der Fähigkeit ausgestattet, in der finstersten Nacht klar sehen zu können. Griff er jemanden an, konnte er sich rascher bewegen als der geübteste Soldat
oder Boxer. Seine Schnelligkeit war raubtierhaft und nicht menschlich.
    Delbridge war Mitglied der Arcane Society, einer geheimen Organisation, die sich dem Studium des Übersinnlichen verschrieben hatte. Die große Mehrheit der Mitglieder besaß zumindest ein gewisses Maß an einschlägigen Fähigkeiten. In den letzten Jahren hatte die Society einen Versuch unternommen, die verschiedenen bislang bekannten Talente zu erforschen, zu studieren und einzuordnen. Dank des wachsenden Katalogs gab es nun eine Bezeichnung für jene, die Lancings spezielle und überaus gefährliche Talentkombination besaßen: ParaJäger.
    In der Society gab es zumal unter den Anhängern von Mr Darwins Theorien viele, die überzeugt waren, dass diese mit paranormalen Talenten ausgestatteten Jäger einen Rückfall in die Urgeschichte darstellten. Delbridge war geneigt, ihnen recht zu geben. Lancing, diese elegante Viper, freilich dachte anders. Er hielt sich für einen überlegenen und höher entwickelten Menschentyp. So oder so, er hatte seinen Nutzen.
    Delbridge hatte ihn aufgespürt, nachdem in der Sensationspresse Berichte über einen grausamen Killer erschienen waren, dessen Opfer Prostituierte waren. Es war nicht weiter schwierig gewesen, das Mitternachtsmonster, wie die Presse ihn nannte, aus der Deckung zu locken. Molly Stubton passte mit ihrem blonden Haar und dem

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