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Dieb meines Herzens

Dieb meines Herzens

Titel: Dieb meines Herzens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Quick
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angeschlagenen Nachtgeschirr.
    Er setzte sich auf die Bettkante und zog die Stiefel an. Wo zum Teufel befand er sich? Er zwang sich nachzudenken.
    Nach der Sitzung mit dem Kristall war er einer unüberwindlichen Erschöpfung erlegen. Er war halb aufgewacht, als der Wagen anhielt, war aber zu benommen, um etwas von seiner Umgebung mitzubekommen. Leona und ihr Begleiter hatten ihn aus dem Gefährt in ein Zimmer halb getragen, halb geschleppt. Im Kamin hatte kein Feuer gebrannt, daran konnte er sich erinnern. Auch an einen Mann und eine Frau, die aussahen, als hätte man sie aus ihren Betten geworfen. Ebenso an eine schmale Holztreppe.
    Als er entdeckte, dass seine Arme nicht um ein zartes Schulterpaar, sondern um deren zwei lagen, hatte er endlich begriffen, dass Leona nicht die einzige Frau in Männerkleidung
war. Ihr Freund, der Kutscher, war auch eine Frau. Wie hatte der Name gelautet, den sie benutzte? Ach ja, Adam.
    Er konnte sich erinnern, was Adam gesagt hatte, als sie und Leona ihn durch einen Eingang zerrten. »Denk an meine Worte … wir werden es noch bereuen. Wir hätten ihn auf der Straße zurücklassen sollen.«
    Adam, du hattest recht, dachte er. Ihr beide werdet mich wiedersehen.
    Ein leises, zögerndes Klopfen an der Tür riss ihn aus seinen brütenden Erinnerungen. Ihm fiel ein, dass er keine Ahnung hatte, wer draußen auf dem Gang stehen mochte.
    Er ging durch den Raum zu seinem an der Wand hängenden Mantel. Ohne viel Optimismus griff er in eine der Taschen. Es befand sich ein Gegenstand darin, doch es war nicht seine Waffe. Er zog ihn heraus und sah, dass er den Rougetiegel einer Dame in der Hand hielt. Ihm fiel ein, dass er ihn neben der Leiche vom Boden aufgehoben hatte.
    Wieder ertönte ein Klopfen.
    Er versuchte es in einer anderen Tasche. Diesmal fand er die Waffe, die noch geladen war, wie er befriedigt feststellte, als er sie herauszog.
    Die Waffe war nicht das Einzige, was er in der Tasche fand. Eine braunhaarige Männerperücke, verfilzt und ungekämmt, war um den Griff gewickelt.
    »Ja?«, rief er.
    »Die Köchin dachte, Sie wären schon wach und möchten vielleicht Kaffee und Frühstück.« Die Stimme war die eines jungen Mädchens.
    Er ließ die Perücke in die Tasche gleiten. Die Pistole unauffällig an sein Bein drückend, öffnete er die Tür einen Spalt breit. Ein etwa zwölfjähriges Mädchen stand auf dem Flur. Sie trug ein adrettes weißes Häubchen und eine Schürze
über einem schlichten grauen Kleid. In den Händen hielt sie ein schwer beladenes Tablett. Kaffeegeruch und der Anblick eines Tellers, auf dem sich Eier, Toast und Räucherlachs türmten, machten ihm bewusst, wie hungrig er war.
    »Danke«, sagte er und öffnete die Tür weit. »Bitte, stell es auf den Tisch.«
    »Ja, Sir.«
    Das Mädchen trug das Tablett in den Raum. Als sie ihm den Rücken zukehrte, spähte er in den Gang hinaus, um sich zu vergewissern, dass er leer war. Befriedigt, dass draußen niemand auf der Lauer lag, steckte er die Waffe in die Manteltasche.
    Das Mädchen drehte sich um und knickste andeutungsweise.
    »Brauchen Sie noch etwas, Sir?«
    Er lächelte sie an. »Würdest du mir wohl ein paar Fragen beantworten? Ich muss gestehen, dass ich nur eine ganz vage Erinnerung an meine Ankunft letzte Nacht habe.«
    »Ja, Sir. Pa sagte, Sie wären sturzbetrunken gewesen. Er musste Ihrem Freund und dessen Kutscher helfen, Sie die Treppe hinaufzuschaffen. Ihr Freund sagte, Sie würden beim Erwachen …«, innehaltend runzelte sie in angestrengtem Nachdenken die Stirn, »ziemlich verwirrt sein. Aber Pa solle ja nicht glauben, Sie wären geistesgestört. Er sagte, Sie wären eine wichtige Persönlichkeit mit hochrangigen Freunden.«
    Mit anderen Worten, das Kristallmedium hatte den Wirt davor gewarnt, die Situation seines Gastes auszunutzen.
    »Was meine Verwirrung betrifft, so stimmt es«, sagte er milde. »Wie lautet die hiesige Adresse?«
    »Kilby Street, Sir. Sie sind im Blue Drake.«
    Damit war die drängendste Frage beantwortet. Die zwei
Frauen hatten ihn in einem anständigen, aber nicht zu noblen Bezirk Londons abgesetzt.
    »Noch etwas«, sagte er. »Hat mein Freund deinem Pa zufällig gesagt, wohin er und sein Kutscher noch wollten?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Ich glaube nicht, Sir.«
    Natürlich nicht. Das Paar wollte keine Spur hinterlassen und war einfach verschwunden.
    »Danke für das Frühstück«, sagte er. »Das alles sieht ja sehr lecker aus.«
    Das Mädchen strahlte. »Aber gern, Sir.

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