Dieb meines Herzens
sich verdichtenden Traumwelt stand, die bald von ihm Besitz ergreifen würde.
Er ging durch die Gartenanlagen voraus, dem Pfad folgend, auf dem er zum Haus gelangt war. Die Dame zeigte sich jetzt fügsam und blieb dicht hinter ihm.
Eine lange, hohe Hecke versperrte ihnen den Weg. Er streckte die Hand nach der Frau aus, um sie zur Pforte zu geleiten, als seine Hand sich aber um ihren Arm schloss, zerbrach seine Konzentration wie eine edle Porzellanvase, die auf einem Marmorboden zerschellt. Ohne Vorwarnung strömte freudige Erregung durch seine Adern, sein Griff wurde unter dem Hochgefühl fester.
Er vernahm einen leisen Schreckenslaut, den er nicht beachtete. Die erlesene, volle Rundung des Armes, den er festhielt, war ihm nun jäh und intensiv bewusst. Der Duft der Frau war betäubend und raubte ihm den Verstand.
Dämonen und Ungeheuer krochen unter der Hecke hervor. Ihr Grinsen ließ ihre Fänge im Mondschein glänzen. Du kannst sie hier und jetzt nehmen. Nichts kann dich daran hindern. Sie ist dein .
Der Frau muss doch klar sein, wie erotisch sie in Männerkleidern wirkt, dachte er. Das Wissen, dass sie sich mit Absicht so gekleidet hatte, um ihn zu reizen, amüsierte und freute ihn.
»Sie müssen sich beherrschen, Sir«, sagte sie beschwörend. »Bis zum Wagen ist es nicht mehr weit. Ein paar Minuten, dann sind wir beide in Sicherheit.«
Sicherheit . Das Wort war Auslöser für eine trügerische Erinnerung. Er konzentrierte sich und versuchte sich auf etwas Wichtiges zu besinnen, auf etwas, das er zu tun hatte, ehe er die Frau für sich forderte. Da fiel es ihm ein, ein Fetzchen Wissen, ihm von unsichtbaren Winden zugetrieben. Er bekam das Stückchen Wirklichkeit zu fassen und hielt es fest. Er musste die Frau retten. Ja, das war es. Sie schwebte in Gefahr.
Die Dämonen und Ungeheuer verschwammen und wurden durchscheinend.
Du hast Halluzinationen. Sei auf der Hut oder sie wird getötet.
Eine Erkenntnis, die ihn wie ein Schwall Eiswasser traf. Er riss sich vom Rand zurück.
»Achtung … Sie stolpern sonst über ihn«, sagte er.
»Über einen Dämon?«, fragte sie wachsam.
»Nein, über den Mann unter der Hecke.«
»Wie bitte?« Erschrocken blickte sie nach unten und ließ wieder einen leisen Schreckenslaut hören, als sie den gestiefelten Fuß sah, der unter dem dichten Laub hervorlugte. »Ist er …?« Sie sprach nicht weiter.
»Ich versetzte ihn und den anderen Wachposten in Trance, als ich zum Haus ging«, erklärte er und drängte sie zum Tor. »Sie werden nicht vor Morgengrauen erwachen.«
»Ach.« Nun trat eine kurze Pause ein. »Ich … hm … ich wusste nicht, dass Delbridge Wachposten aufstellte.«
»Sie tun gut daran, diese Möglichkeit bei der Planung ihres nächsten Einbruchs zu berücksichtigen.«
»Ich betrat das Haus als einer der vielen für diesen Abend engagierten Diener verkleidet, doch plante ich, durch den Garten zu entkommen. Hätten Sie die Wachen nicht ausgeschaltet, wäre ich ihnen in die Arme gelaufen. Was für ein Glück, dass wir einander begegneten.«
»Mein Glück ist heute nicht zu überbieten.«
Er machte aus seinem Sarkasmus keinen Hehl. Ihre positive Einstellung machte ihn ebenso wahnsinnig wie die verdammten Halluzinationen.
»Das klingt sehr angespannt«, flüsterte sie, neben ihm dahineilend. »Sind die Halluzinationen jetzt stärker?«
Am liebsten hätte er sie angebrüllt und sie geschüttelt, um ihr den Ernst der Lage begreiflich zu machen. Die Halluzinationen ließen sich noch Zeit; sie lagen in dunklen Winkeln auf der Lauer und warteten auf den Moment, wenn sein Wille wieder nachgeben würde wie schon vor einem Augenblick.
Verlor er die Kontrolle, würden die Albträume sein Gehirn überfluten. Am liebsten hätte er sie geküsst, ehe er den Albträumen verfiel.
Die schlichte Wahrheit war, dass er keine Zeit für alle diese Dinge hatte. Er war verdammt. Als Einziges blieb ihm der Versuch, sie zu retten. Noch ein paar Minuten. Mehr brauchte er nicht, um sie zu ihrer Kutsche zu bringen und dafür zu sorgen, dass sie entkam. Nur ein paar Minuten. So lange würde er es schaffen. Ihr zuliebe musste er es schaffen.
Er öffnete das schwere Tor, und die Frau durchschritt es rasch. Er folgte ihr.
Das Delbridge-Anwesen lag einige Meilen außerhalb Londons. Jenseits der hohen Gartenmauern erstreckte sich dichter, allem Anschein nach undurchdringlicher Baumbestand, doch als er genauer hinsah, konnte er die im tiefen Dunkel lauernden Ungeheuer
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