Diebesgeflüster - Band 3
erstreckte sich auf der gesamten Länge eines Hofs, schätzte Tebby. Schließlich leuchtete vor ihr helleres Licht, das nicht nur aus spinnwebverhangenen Schächten und schmalen Schießscharten ins Gebäude drang. Sofort duckte Tebby sich und schlich weiter. Sie vernahm Stimmen, laute Befehle und das Scharren zahlreicher Füße.
Der Flur endete vor einer Brüstung, die eine Art rundumlaufender Galerie bildete. Im zweiten Stock einer hohen Halle unter einer großen Kuppel umrundete sie ein Menschenmeer.
Tebby sah sich sichernd um, bevor sie geduckt zur Balustrade eilte und durch die durchbrochenen Verzierungen der Umzäunung nach unten blickte. Das Stimmengewirr, die Geräusche zahlloser Füße auf Stein hatten sie auf den Anblick vorbereitet. Hierher wurden alle Rekruten geführt und unter der Aufsicht der Offiziere gesammelt.
Ein bunter Haufen junger Männer, befand Tebby. Einige schon in Rüstungen, andere noch in ihrer Bauernkleidung, Bündel mit persönlichen Habseligkeiten auf den Rücken geschnallt.
Durch ein prunkvolles Tor strömten die Jungen und auch die Offiziere in einen angrenzenden Raum, aus dem Licht auf die Fliesen in der unteren Halle fiel.
Tebby hielt unwillkürlich die Luft an. Der große Saal, in dem auch das Banner aufbewahrt wurde. Zu schade, dass sie selbst eine Musterung nicht unentdeckt überstanden hätte. Dann wäre es möglich gewesen, den Saal ins Auge zu fassen, das Banner zu lokalisieren und dementsprechend besser planen zu können. Ganz bestimmt wurde das Tor verriegelt, wenn niemand sich im Saal aufhielt. Oder Wächter postierten sich davor. Wenn das Kriegsheil und die Motivation der Soldaten vom Banner abhing, würde man es bestimmt nicht unbewacht lassen.
Sie betrachtete die Prozession, bis die Torflügel sich schlossen. Was machte man mit jungen Soldaten, außer sie zu rüsten und auszubilden? Leisteten die eine Art Schwur? Auf das Banner, das Tebby stehlen sollte? Sie wünschte sich, sie verstünde mehr von solchen Sachen. Aber ihr ganzes Dasein nach dem Tod der Mutter hatte Tebby ausschließlich damit verbracht, genügend Bares zusammenzustehlen, um die Brüder durchzufüttern, ihnen saubere Kleidung und Spielzeug zu verschaffen. Die Großen und Reichen hatten sie nur insofern interessiert, wie sie sie am besten bestehlen konnte.
Von Soldaten hatte sie sich immer ferngehalten. Sie hatte gewusst, warum. Der Gedanke an den Werwolf des Großfürsten drängte wieder nach oben, und Tebby verpasste diesem Erzeugnis ihrer Angst im Geiste einen Hieb auf die Nase. Wenn Javin die Wahrheit sprach, würde der Fürst seine Kreatur kein zweites Mal auf Tebby und die Jungen hetzen.
Falls sie Erfolg hatte! Sie musste in diesen Saal gelangen. Die Vorbereitungszeit war einfach zu kurz gewesen, die Recherchen gezwungenermaßen nicht gründlich genug.
Tebby biss sich auf die Unterlippe, beugte sich vor und blickte in die untere Halle. Keine prunkvollen Stoffdraperien um die Säulen, die das Tor flankierten. Keine Truhe, nichts.
Der Weg entlang der Außenmauer war unmöglich. Zum einen gab es keine Öffnung, durch die Tebby sich hätte quetschen können, zum anderen besaß sie kein Seil. Auch eine Entdeckung durch die Wachen auf den Mauern stand zu befürchten.
Der Weg in den großen Saal führte durch diese Tür. Eine zweite zu suchen, befand Tebby als Unsinn. Denn jede andere Pforte in den Saal barg die gleiche Problematik. Wachen, Riegel.
Einen wilden Moment lang erwog sie, einfach jetzt durch das Portal zu huschen – in der vagen Hoffnung, dass alle Männer in dem Saal im Moment ausreichend mit Eiden und Feierlichkeit abgelenkt wären. Doch nur einer musste im falschen Moment aufsehen …
Mit einer fahrigen Bewegung wischte Tebby sich einen Schweißtropfen von der Stirn und wünschte sich weit weg. Die beiden Kleinen bei sich, keine Sorge in der Welt bis auf drei hungrige Bäuche. Kein Großfürst, kein Javin, kein unerfüllbarer Auftrag. Und kein haariges Biest, das geifernd Tebbys Fährte folgte.
Gesang ließ sie zusammenfahren. Mehr ein dumpfes Brummen ohne verständliche Worte. Die Torflügel zum großen Saal schwangen auf. Zwei Soldaten traten in die Vorhalle und hielten das Tor auf für eine neuerliche Prozession, die den Saal verließ. Priester schritten in langen Kutten mit tief in die Gesichter gezogenen Kapuzen über den hallenden Marmor.
Die Gruppe wandte sich in der Vorhalle nicht zum Portal auf den Hof, sondern bog direkt vor Tebby ab und verschwand in dem Gang unter
Weitere Kostenlose Bücher