Diebesgeflüster - Band 3
an ihre kleinen Brüder und hoffte, dass der Großfürst sie wirklich gut versorgen ließ.
Am Tor hatte sich schon eine Schlange gebildet. Tebby stand gelassen an, sah bescheiden aus und rückte im Gleichschritt mit den anderen jungen Männern vorwärts. Einige wurden weggeschickt. Unruhe breitete sich in Tebbys Magengrube aus. Das durfte ihr einfach nicht geschehen, denn dies war der schnellste Weg in die große Burg. Deswegen hatte Tebby auf einen Hauptmann wie Heran gewartet, der ihr eine kleine Empfehlung mit auf den Weg gab.
Endlich war sie an der Reihe, nickte höflich und sagte leise: »Hauptmann Heran sagte mir, dass ich gut für die Armee wäre.«
»Heran, hm?« Ein harter Blick flog über Tebby, die sich kurz vor dieser Musterung gerade aufgerichtet hatte und das abschätzige Betrachten nun ruhig über sich ergehen ließ. Sie war schlank genug, dass ein Verrat durch weibliche Kurven unwahrscheinlich war. Eine genaue Musterung vor der Rüstungsvergabe würde sie jedoch nicht überstehen, das war ihr klar.
»Kannst reingehen«, wurde ihr gesagt, und eilig schritt Tebby durch die kleine Pforte im großen Portal, orientierte sich, wo der Saal liegen musste, in dem das Banner verwahrt wurde.
Sie schwamm in der Gruppe der neuen Rekruten mit und erkannte schnell, dass die Festung eine Aneinanderreihung von großen Höfen war, die durch Wehranlagen und Tore voneinander getrennt wurden. Eine zusätzliche Verteidigungsmaßnahme, doch keine sinnvolle Gliederung, denn jeder Hof – und Tebby durchschritt derer drei – bot das gleiche Bild von Pferden und Nutzvieh, herumstehenden Karren, Soldaten und vielen Rekruten.
Auf dem dritten Hof löste Tebby sich aus der Gruppe der Jungen und wanderte wie suchend in Richtung der Viehställe. Ein Junge vom Land konnte sich durch Pferde locken lassen, sagte sie sich. Und wenn jemand sie anhielt, würde sie einfach sagen, dass sie sich verlaufen hätte.
Das Aroma von tierischen Ausdünstungen, gekochtem Getreide und viel Mist empfing sie. Kein Knecht in Sichtweite, sodass Tebby hastig die Stallgasse entlang lief, in die Futterkammer schlüpfte und die Tür hinter sich ins Schloss zog. Sie atmete auf. Bis hierher war es ein Kinderspiel gewesen.
Sie kletterte auf eine der Futterkisten und stellte sich auf Zehenspitzen. So erreichte sie den Balken über sich und konnte sich rasch hinaufziehen. Oben schlüpfte Tebby aus ihren Schuhen und stopfte sie in den von zwei Balken gebildeten Winkel. Falls sie einen anderen Rückweg wählen musste, würde sie das eben barfuß tun. Dann schulterte sie das Bündel mittels der mitgebrachten Schnüre wie einen Rucksack, damit sie die Hände frei hatte. Lautlos huschte sie auf bloßen Sohlen über den Balken, bis sie den festen Boden des Strohlagers erreichte. Dort kam sie rascher voran und suchte nach einer Dachluke.
Stroh musste belüftet werden, das war ihr bekannt. Zumindest vermutete sie, dass deswegen die Strohkammern über Luftlöcher verfügten. Tebbys Kenntnisse in Landwirtschaft und Tierhaltungen waren begrenzt. Nur Stallungen kannte sie wirklich gut, da sie diese als Ausgangsbasis für ihre Diebestouren gerne benutzt hatte. Ein Adliger, der ein Vermögen für Rennpferde ausgab, hielt sie gerne nahe seinem Wohnhaus, und Tebby hatte gelernt, wie leicht es war, von einem Dach zu einem anderen zu klettern. Und selbst wenn der Abstand einmal größer war, bot das Stallgebäude doch Sichtschutz und Schatten. Sowie notfalls ein gutes Versteck.
Endlich entdeckte Tebby eine Dachluke und machte sich an ihr zu schaffen, um sie einen Spaltbreit zu öffnen. Üblicherweise erkundete sie ihre Zielobjekte vor dem Zugriff erheblich länger und gründlicher. Hier musste sie improvisieren, doch die wohlige Glut in ihrer Magengrube war Tebby vertraut aus ähnlichen Situationen. Der Auftrag und die in Aussicht stehende Beute hatten sie nun fest im Griff, und Tebby überließ ihren Instinkten und Erfahrungen die Befehlsgewalt. Genau so waren ihre ersten Einbrüche verlaufen, und sie hatten reichlich Profit abgeworfen, bis Tebby vorsichtiger geworden war. Aber eigentlich … Vorsicht war langweilig!
Das Hauptgebäude ragte höher auf als das Stalldach, was Tebby erwartet und auch schon vom Hof aus gesehen hatte. Schroff ragte die Innenmauer des Festungsbaus auf. Doch im Gegensatz zur Außenseite, die nur aus glattem Stein mit schmalen Schießscharten bestand, hatte man auf der sicheren Innenseite Fenster eingebaut.
Tebby betrachtete mit erzwungener
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