Diebesgeflüster - Band 3
Rest sparen, wir wollen Euch nicht noch mehr unseres Wassers, äh, also Reinigungswassers geben.«
Nun wurde der Lord zornig: »Was soll das heißen? Ich wollte Euch fürstlich entlohnen, aber Ihr habt abgelehnt. Ich habe Euch Diamanten und ein großzügiges Essen angeboten, doch auch das habt Ihr ausgeschlagen. Und nun meint Ihr, einen weiteren Tropfen könntet Ihr nicht mehr entbehren? Gebt her!«
Der König griff wütend nach dem Lederbeutel an Samjons Gürtel und bemerkte sofort dessen ungewöhnliches Gewicht. Die kantigen Diamanten bohrten sich ihm durch das Leder in die Handflächen, weshalb er sofort erkannte, welchem Betrug er fast aufgesessen wäre. Sein Gesicht lief rot an, und als er die Wachen rief, scheiterte der Juwelenraub endgültig.
Man führte sie durch eine kleine Tür in den Kerker hinab. Zwei Wachen sorgten vor dem Abgang dafür, dass keiner, der dort unten saß, je wieder das Tageslicht erblickte. Die Treppen schienen sich unendlich lange im Kreis nach unten zu schrauben, wie ein Gewinde, das die dämonischen Abgründe der Hölle anbohren wollte.
Mehrere Minuten tapsten sie im Kerzenschein nach unten, getrieben von den scharfen Spitzen der Lanzen, die die beiden Wachen hinter ihnen ständig in die Rücken pieksten. Obwohl die Wendeltreppe breit und die Stufen klein und regelmäßig waren, mussten sie aufgrund des hohen Tempos aufpassen, nicht zu stürzen. Bunlag konnte an einigen Stellen nur knapp eine Kollision seines dicken Schädels mit der teilweise niedrigen Decke verhindern.
Als sie nach einer gefühlten Ewigkeit schließlich unten ankamen, erblickten sie das schreckliche Gemäuer, das die Bewohner von Willshire alleine durch den Gedanken daran zu blindem Gehorsam zwang. Durch eine torlose Pforte passierten sie gleich sechs bis an die Zähne bewaffnete Wachen, deren Streitkolben, Lanzen und Schwerter die Ausweglosigkeit dieser Gefangenschaft verdeutlichten.
Bunlag und Samjon fühlten sich genauso nackt und kalt wie die lieblos aneinander gereihten Steinplatten, die sie nur mit Stofffetzen umwickelt auf dem Weg zu ihrer Zelle beschreiten mussten. Hinter der gut bewachten Pforte, dem einzigen Zugang zu diesem Verlies, fand man hunderte dieser fensterlosen Käfige, die sich links und rechts an einem schmalen Weg hintereinander reihten. Diese Kerkergasse schien in eine finstere Unendlichkeit zu führen, die dem Gefängnis ein grenzenloses Fassungsvermögen garantierte.
Selbst wenn man nach dem Passieren der Wachen an der oberen Tür zum Kerker und dem Durchschreiten der sechs aufgestellten Wächter des Zellenkomplexes am Ende der Treppe noch einen Funken Hoffnung besessen hatte, wurde man diesem nach nur wenigen Augenblicken in diesem Irrsinn endgültig beraubt. Das Stöhnen und Flehen der unglaublich vielen Insassen in den finsteren Abteilen raubte einem den Verstand.
Samjons Blick verharrte auf dem eiskalten Steinboden, als wäre eine metallene Sträflingskugel an seinem Kinn angekettet. Bunlag vergoss eine Träne.
Die Scharniere der rostigen Tür kreischten wie ein Todesschrei, als man sie öffnete und die Gefangenen in ihre letzte Ruhestätte stieß.
Nachdem die Wachen das massive Schloss versperrt hatten, schien es, als würden die drei Steinwände um sie herum immer näher zusammenrücken, den Raum immer kleiner werden und die Zellenbewohner auf der Suche nach Freiheit ersticken lassen, sie durch das Bedürfnis nach Freiraum so fest gegen die Gitterstäbe pressen, dass sich der Geist langsam von dem durch das Eisen zurückgehaltenen Körper abspaltete.
Sie wussten, dass sie früher oder später zu einer dieser wandelnden Leichen werden würden, die sie auf dem Weg zu ihrem Sarg in den anderen Zellen hatten beobachten können. Verfallene Hüllen, die einfach nur noch dahinvegetierten und so alt waren, dass es schien, als wären sie bereits selbst ein Teil dieses trostlosen Steingrabes geworden. Den Verstand hatten diese Insassen längst verloren, was sie zuvor wahrscheinlich jahrelang herbei gefleht hatten, damit sie während des unerträglichen Leidens wenigstens nicht mehr zusehen mussten, wie sich der eigene Geist langsam in Luft auflöste.
Die kleine Zelle bestand aus den gleichen harten Steinplatten wie die lange Kerkergasse zwischen den Käfigen und auch die Mauern waren mit diesen Fliesen bedeckt. In der hinteren linken Ecke stand ein rechteckiges Podest aus Holz. Ein bisschen Stroh und eine breite Wolldecke machten klar, dass es sich um die zukünftige Schlafstätte
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