Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Diebesgeflüster - Band 3

Diebesgeflüster - Band 3

Titel: Diebesgeflüster - Band 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lea Giegerich , Tanja Rast , Flo P. Schmidt , Susanne Haberland
Vom Netzwerk:
von Samjon und Bunlag handelte. Durch die beträchtliche Höhe von nicht ganz einem halben Meter wirkte die harte Liegefläche wie ein Schafott.
    Das Einzige, das es sonst noch in diesem unmenschlichen Gefängnis gab, war ein kleines, mit einem Deckel abgedecktes Loch, aus dem ein fürchterlicher Gestank kam, als Samjon die Abdeckung anhob. Sie wussten natürlich, wozu dieses Loch diente. Und sie wussten auch, dass es hier in der Zelle ganz schön ungemütlich werden konnte, wenn der Urin nicht schnell genug im Grundboden versickerte. Für die Fäkalien stand ein eigener Eimer in einer der vorderen Ecken beim Gitter bereit. Da es diesen in jeder Zelle gab und die Wachen es nicht unbedingt eilig hatten, diese Kübel zu entleeren, herrschte im gesamten Gefängnisareal ein beißender Geruch.
    »Wir müssen hier raus, Bunlag«, sagte Samjon. Seine Stimme war nicht mehr als ein Flüstern, von jeglicher Hoffnung und Zuversicht verlassen. »Wir müssen hier verdammt nochmal raus.«
    Hauptmann Charkins staunte nicht schlecht, als er die neunundzwanzigste Schale mit Wasser abliefern wollte. Eigentlich war es bisher ein ganz normaler Tag gewesen, wie er immer ablief. Das Aufstehen war genauso schwer wie die Rüstung, in die er sich mühsam zwängen und dabei oft viel Zeit in Anspruch nehmen musste.
    Am härtesten war es, ohne Hilfe in die Stiefel hineinzukommen, da zu diesem Zeitpunkt bereits die ganze Beinrüstung angezogen sein musste und diese ein uneingeschränktes Bewegen der Beinmuskulatur unmöglich machte. Das war der Nachteil, wenn man alleine lebte.
    Charkins hatte keine Frau und auch keine Kinder, Sklaven durfte nur der Lord halten. Im Prinzip hatte er nichts, bis auf seinen Beruf. Und seinen Rang, der in Form eines eisernen Abzeichens an seinem Gürtel hing.
    Obwohl er wusste, dass die Leibgarde des Lords nur sehr klein war und fast jeder andere Wachsoldat einen höheren Rang bekleidete, war er sehr stolz auf seinen Status, der ihm damals von Lord Frankis persönlich verliehen wurde. Ein Brauch, den der Lord wegen des körperlichen Aufwands schon lange nicht mehr selbst ausführte. Bei der Arbeit konnte er damit zwar kaum prahlen – seine Kameraden standen alle über ihm und die Gefangenen hatten wahrlich andere Dinge im Kopf, als ihn zu bewundern –, aber im Dorf blickte man zu ihm auf. Besonders die Kinder und einige Frauen.
    Ja, sein Rang war der Grund, weshalb er seinen Beruf liebte und jeden Morgen wieder Motivation fand, in den Kerker hinabzusteigen, dessen fäkalverseuchten Pestgestank er selbst an dienstfreien Tagen nicht aus der Nase bekam. Die meisten Wachen verabscheuten es, tief in die Gefängnisanlage zu gehen und sich um die randvollen Eimer zu kümmern oder Zellen mit Frischverstorbenen für die nächsten »Gäste« auszuräumen, wie sie hier vom Wachpersonal spöttisch genannt wurden. Der Großteil der Kerkerwächter blieb lieber bei der riesigen Pforte am Ende der langen Treppe und stand dort acht Stunden am Stück Wache, damit niemand entfliehen konnte.
    Hauptmann Charkins nicht. Er hasste es, Wache zu stehen. Er hasste es, einfach nur aufzupassen und für den einen Fall gerüstet zu sein, der durch die hohen Sicherheitsvorkehrungen und die massiven Eisenstäbe der Zellen ohnehin ausgeschlossen wurde. Und am meisten hasste er es, schon nach wenigen Minuten jegliches Zeitgefühl zu verlieren. Dort unten, wo vereinzelte Kerzen die einzigen Leuchtmittel darstellten, jede Tageszeit im selben Licht erschien und eine zeitliche Orientierung unmöglich machte, verfiel man jeden Tag aufs Neue dem Wahn. Man hatte keine Ahnung, wie lange man bereits da stand, man hatte keine Ahnung, wie lange man noch stehen musste, und so wartete man unzählige einzelne Momente lang auf die hallenden Schritte des Boten, der die Treppe herunter eilen und das Ende dieser Schicht verkünden würde. Unzählige Momente, in denen man immer wieder hoffte, dass die Sonne gerade jetzt an der Oberfläche den richtigen Stand erreichte, der das Ende der Dienstzeit bedeutete.
    Nein, Charkins hielt es nicht aus, bei der Arbeit ständig nur Wache zu stehen und die Sekunden zu zählen, ohne auch nur erahnen zu können, wann die erlösende Summe erreicht war. Und deshalb übernahm er freiwillig alle Tätigkeiten, die die anderen nur mit einem Kopfschütteln mitverfolgten. Er machte Rundgänge, wechselte Kübel aus und brachte je zweimal am Tag Essen und Schalen mit Wasser, damit sich die Sträflinge auch waschen konnten und gefährliche

Weitere Kostenlose Bücher