Diebeswelt Sonderband: Der dunkle Held
was
verständlicherweise nicht verwunderte, da die beiden Rivalen
seien, sagte Gaise und machte eine hilflose Geste –, würde
die Angelegenheit wirklich aufregend. Solche Situationen seien das
Salz in der Suppe eines eintönigen Lebens in einer Stadt mit
einer gutfunktionierenden Polizei und Gesetzen, die praktisch alle
Belange regelten. Firaqa sei schon immer von Männern
beschützt worden, die die Magie und…
»Was? Du meinst von Zauberern?« Hanse riß
die Augen weit auf.
»Aye. So ist es hier schon immer gewesen. So stehen die Dinge
nun einmal, mußt du wissen. Es ist nicht so, daß wir
unter einer dunklen Wolke oder so etwas leben. Alle Magier von Firaqa
helfen den Bürgern.«
›Beschützt‹ bedeutet ›beherrscht‹, dachte Hanse. »Ah, ihr Götter! Ist das immer so, Gaise? Helfen diese beschützenden Zauberer
immer?«
»Ähm, nein, Hanse. Ich meine, das Gesetz schützt
uns, aber gerade jetzt hilft es diesem Melonenverkäufer und
Bauern offensichtlich nicht. Würde es zwischen dir und mir zu
einer Fehde kommen, ich meine, gäbe es wirklich böses Blut,
dann… Aber das ist kein gutes Beispiel. Uns von der Wache ist es
verboten, uns persönlich der Dienste eines Magiers zu bedienen,
und wir haben geschworen, es nicht zu tun. Das betrifft jeden
Bediensteten der Stadt, einschließlich der Ratsmitglieder.
Nehmen wir aber einmal an, du hättest Khulna wirklich betrogen,
du wärst meinetwegen verschwunden und würdest ihm noch Geld
schulden, und die Gesetze könnten ihm aus irgendeinem Grund
nicht helfen. Sollte sich Khulna dann der Dienste eines Magiers
versichern und seinen Preis zahlen, wäre das Ergebnis für
dich bestimmt nicht gerade erfreulich. Man könnte nicht
behaupten, daß es dir dann helfen würde. Du
könntest in diesem Fall natürlich zu einem anderen Magier
gehen und einen Gegenzauber bewirken lassen oder einen anderen Bann,
der schlimm genug ist, daß Khulna sich einverstanden
erklärt, den Fluch seines Anwaltes
zurückzuziehen.«
»Anwalt?« fragte Mignureal.
»Wenn du der Klient eines Magiers bist, ist er dein
Anwalt«, erklärte Gaise.
»Ah, ihr Götter«, grollte Hanse. »Was ich da
höre, ist das Chaos. Alles ist so festgelegt, damit die Magier
etwas zu tun haben und dabei wahrscheinlich reich werden!«
»Oh, nicht so voreilig, so ist das wirklich nicht! Eine
zivilisierte Gesellschaft mit einer Gesetzgebung braucht ihre
Zaubermeister!« sagte Gaise, dem man ansah, daß er sich
verletzt fühlte. »Sie sind im allgemeinen wohlhabend, das
stimmt. Aber ohne sie würde bei uns das Chaos herrschen,
nicht durch sie!«
»Angenommen, Hanse würde zu Khulnas ›Anwalt‹
gehen und ihm mehr Geld bieten, damit er den Fluch aufhebt oder
Khulna etwas antut?« erkundigte sich Mignureal. »Oder sogar
beides?«
»Oh, niemals!« versicherte ihr Gaise. »Das
wäre unmoralisch! Schließlich haben auch die Magier ihren
Moralkodex, und außerdem sind auch sie den Gesetzen
unterworfen. Khulnas Anwalt würde das ganz einfach nicht machen.
Darüber hinaus wäre er durch das eigene Gesetz der Magier
verpflichtet, über deinen Versuch, ihn zu bestechen, Bericht zu
erstatten. Sie haben ihre eigene Vereinigung oder Gilde. Alle
praktizierenden Magier in Firaqa sind darin Mitglied.«
Wahrscheinlich nennen sie es die Gilde der Schmarotzer, dachte Hanse finster. Die Zauberer saugen diese Menschen aus,
und Gaise ist zu dämlich, um es zu erkennen. Ich schätze,
das geht hier allen so. Sie akzeptieren es einfach.
»Wenn die Magier eins ihrer Mitglieder vor die
Moralkommission ihres eigenen VZF bringen, greifen wir vorläufig
nicht ein«, fuhr Gaise fort. »Wird der Magier aber für
schuldig befunden, einen moralischen Fehltritt oder gar ein
Verbrechen begangen zu haben, kommt er vor Gericht. Wird er nur wegen
einer kleinen moralischen Entgleisung verwarnt, werden wir nicht
tätig. Wenn es allerdings nochmals passiert, bekommt er eine
Menge Ärger.«
»VZF«, wiederholte Hanse. »Vereinigung der Zauberer
von Firaqa?«
»Verband der Zaubermeister«, korrigierte Gaise.
»Hm- hmm. Nun, im Endeffekt läuft das dann darauf
hinaus, daß der VZF dem Gericht sagt, was es tun
soll!«
»Das trifft nicht zu«, widersprach Gaise mit Nachdruck.
»Im Fall des durchgegangenen Pferdes und des Wagens, durch die
dieser Lallias gestorben ist, hat beispielsweise niemand auch nur
daran gedacht, den VZF anzurufen.« Er schmunzelte bei der
bloßen Vorstellung.
»Nehmen wir einmal an, auf dem Bauer lag ein Fluch«,
sagte Mignureal.
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