Diebeswelt Sonderband: Der dunkle Held
Schwester
verkaufen oder eher zeitweilig vermieten wollen?
Und hatte diese alte Frau gerade die Katzen mit einem liebevollen
Blick bedacht, oder war es nicht eher der Hunger gewesen, der aus
ihren Augen sprach?
Die eisenbeschlagenen Tore von Firaqa waren mit eingekerbten und
aufgesetzten Flammenemblemen verziert. Beide Torflügel standen
weit offen und ließen einen Eingang frei, durch den bequem
fünf Reiter nebeneinander gepaßt hätten. Hanse konnte
die Wache und eine Armbrust auf dem Turm auf einer Seite des Tores
erkennen. Auf einem gelben Wimpel prangte in einem weißen Kreis
das Zeichen der roten Flamme.
Im Tor standen weitere Wächter, wahrscheinlich
Angehörige der Stadtwache oder Polizisten, die zum Wachdienst
abkommandiert worden waren. Sie machten sich kaum die Mühe
strammzustehen und erweckten keinen besonders militärischen oder
bedrohlichen Eindruck.
Der Teil von ihm, der Nachtschatten war, grollte verärgert,
aber dann rief Hanse sich in Erinnerung, daß er hier in
mehrfacher Hinsicht ein Neuankömmling war. Er war noch nie
hiergewesen, und niemand kannte ihn hier. Auf Mignureals
vernünftigen Vorschlag hin hatte er seine Wurfmesser und die
Scheiden verborgen und trug nur den Dolch und das Schwert offen
sichtbar. Das Ilbarsimesser hatten sie an Mignureals Sattel
befestigt. In Freistatt hatte sich Hanse nach Kräften
bemüht, gefährlich auszusehen. Das würde er hier
vielleicht ebenfalls versuchen, aber nicht heute, nicht bei seiner
Ankunft.
Die Wachen trugen glänzende Helme, die wie umgestülpte
Bronzetöpfe aussahen. Sie unterschieden sich durch eingekerbte
braunlackierte Formen voneinander, und über die Oberseite zog
sich ein Kamm, der an eine Fischflosse erinnerte. Über einer
Tunika, die von einer ähnlich gelbbraunen Farbe wie die
Steinquader der Stadtmauer war, trug jeder Wächter einen
enganliegenden ledernen Brustharnisch, unter dem ihm ganz schön
heiß sein mußte. Nur einer der drei Wächter hielt
seine Lanze in der Hand, die beiden anderen Lanzen lehnten an den
Torrahmen. Alle Wächter trugen ein Schwert und einen Dolch, und
ihre nackten Beine steckten bis kurz unter die Knie in guten braunen
Schnürstiefeln, deren Schäfte kurz umgeschlagen waren. Die
Stiefel, Brustharnische und Waffengürtel waren mit einer Anzahl
kleiner rechteckiger schimmernder Plättchen besetzt, die aus
einem matt glänzenden Metall bestanden, das eher nach Eisen als
nach Stahl oder irgendeinem anderen Metall aussah.
Hanse ritt auf Sinajhals schwarzem Pferd auf das offene Tor zu,
auf der einen Seite von einem schreienden Kind und auf der anderen
von einem dürren, zerlumpten Mann begleitet, der an Hanses Bein
herumfingerte. Ein Posten, der am linken Torflügel lehnte,
beobachtete die Szene. Er stieß sich mit dem Schaft seiner
Lanze vom Portal ab und kam näher. Sofort zog sich Hanses Magen
zusammen, und er fühlte ein Prickeln unter den Achseln.
»Es reicht, es reicht, laßt den Mann jetzt zufrieden,
ihr beiden! Das ist ein Reisender, der unsere schöne Stadt
zweifellos besucht, um ein paar Pferde zu verkaufen, und der es
bestimmt nicht nötig hat, von Strolchen wie euch belästigt
zu werden.«
Die lärmenden Kerle fielen zurück, während Hanse
bemüht war, entspannt zu wirken. Der Wächter lächelte
ihm und Mignureal zu, und sie ritten mit ihren Pferden weiter und
durch das Tor hindurch. Gleich im Inneren der Stadtmauer saß
rechts des Weges hinter einem Tisch ein Mann, der die gleiche Uniform
und dazu einen dunkelblauen Umhang trug. Neben ihm saß ein
älterer Mann, zweifellos ein Beamter. Der Helm des Uniformierten
lag vor ihm auf dem Tisch. Auf seiner Stirnseite erblickte Hanse das
Emblem der stilisierten Flamme.
»Seid gegrüßt, und willkommen in Firaqa. Darf ich
fragen, woher ihr kommt?«
Obwohl es ihm gegen den Strich ging, erschien es Hanse diesmal
sinnvoller, bei der Wahrheit zu bleiben.
»Wir beide kommen aus Freistatt und wollen
hier…«
»Von so weit her! Und nicht einmal mit einer Karawane, und
mit all den guten Pfer… hmm. Und dann sogar gesattelt und
gezäumt, äh? Ihr habt sie den ganzen Weg von Freistatt bis
hierher gebracht, mein Junge?«
»Nur drei Pferde. Wir waren so leichtsinnig, den Weg durch
die Wüste zu nehmen, und wurden von den Tejana überfallen.
Sie… Kennst du die Tejana?«
Der Mann, der offensichtlich der diensthabende Offizier dieser
Wache war, nickte und hob die Hand. »O ja. Leider kennen wir sie
nur zu gut. Haben sie eure Weggefährten getötet, und nur
ihr
Weitere Kostenlose Bücher