Diebeswelt Sonderband: Der dunkle Held
beide konntet entkommen?«
Fast hätte Hanse es damit bewenden lassen, was wohl
vernünftiger gewesen wäre, aber sein Stolz ließ das
nicht zu. »Nicht ganz. Sie stahlen unsere Pferde und die wenigen
Münzen, die wir bei uns hatten. Es waren vier, und da sie mit
Armbrüsten bewaffnet waren, hatten wir nicht die geringste
Chance. Sie ließen uns mit nichts als dem Blödar… dem
Onager in der Wüste zurück.«
Der Offizier und ein paar andere Wachen hörten ihm
mittlerweile gebannt zu. Ebenso der Beamte, der aufgehört hatte
zu schreiben und Hanse anstarrte. Er war nicht mehr der Jüngste,
und sein Unterkiefer hing genauso schlaff herab wie sein linkes
Auge.
»Mein Mann hat sie verfolgt«, sagte Mignureal stolz.
»Er konnte es nicht ertragen, sie ungestraft entkommen zu
lassen. Natürlich war er wütend, weil sie uns ausgeraubt
hatten. Aber ich glaube, es machte ihn genauso wütend, daß
Leute, die die Wüste so gut kennen, uns hilflos
zurückgelassen hatten.« Sie deutete auf die Tiere.
»Das da sind unsere Pferde – und ihre.«
»Ihre?« Der Wachtposten, der bisher gemütlich
entspannt dagesessen hatte, wirkte auf einmal aufmerksamer.
Das machte Hanse nervös, und es lag nicht daran, daß er
glaubte, diese Leute würden freundliche Gefühle für
die Tejana hegen. Aber er war nicht scharf darauf, sich als
Kämpfer oder Dieb zu präsentieren – auch wenn es seine
eigenen Pferde waren, die er gestohlen hatte.
»Ich erkenne ’janapferde sofort, wenn ich welche sehe,
Sergeant«, sagte der beleibte ältere Wachtposten und
nickte.
»Ich bin den Tejana bis zum Rand des Waldes gefolgt«,
berichtete Hanse. »Sie feierten mit hochprozentigen
Getränken. Sie waren betrunken oder schliefen, und die Pferde
waren ein Stückchen von der Lichtung entfernt
eingepfercht.« Er zuckte die Achseln. »Es war spät in
der Nacht und dunkel in diesen Wäldern.« Er ließ
seinen Worten ein weiteres verlegenes und jungenhaftes Achselzucken
folgen, das er gut einzusetzen wußte. »Ich habe unsere
Pferde zurückbekommen. Und da ich gerade dabei war, habe ich mir
eine kleine Entschädigung genommen. Ihre Pferde.«
Als der Sergeant und ein anderer Wächter offen grinsten,
fühlte sich Hanse ermutigt hinzuzufügen: »Die
Münzen haben sie behalten können.«
»Keine schlechte Leistung«, sagte der Sergeant.
»Die Tejana haben ihre Pferde tatsächlich gesattelt und
aufgezäumt stehen lassen?«
Verdammt, dachte Hanse und schüttelte den Kopf.
»Sie waren angebunden, und die Leinen waren an den Zügeln
befestigt. Da die Räuber betrunken waren oder schliefen oder vor
sich hin dösten, nahm ich mir die Zeit, alle Pferde bis auf eins
zu satteln und aufzuzäumen.« Er brachte ein jungenhaftes
Lächeln und ein ebensolches Achselzucken hervor. »Keine
weiteren Sättel.«
Der alte Schreiberbeamte grinste breit und entblößte
dabei unerwartet gute Zähne. Zwei Wächter lachten. Der
Sergeant schmunzelte.
»Keine Probleme?«
»Das Problem war, das erste Pferd in Bewegung zu
setzen«, erzählte Hanse kleinlaut. »Diese Tejana
lenken ihre Pferde mit Befehlen in ihrer eigenen Sprache. Als ich das
richtige Wort aussprach, galoppierten alle los. Alles, was ich tun
konnte, war, mich festzuklammern. Ich war mit diesem dämlichen
Esel bis kurz vor ihr Lager geritten und hatte ihn im Wald
zurückgelassen. Und diesen Teil der Geschichte werdet ihr mir
nicht glauben.«
»Es ist jetzt schon eine gute Geschichte«, versicherte
der Sergeant und lehnte sich in seinem Stuhl zurück. »Ich
heiße übrigens Gaise, Sergeant der Stadtwache, Abteilung
Stadttor. Mal sehen, ob ich dir den Rest der Geschichte auch noch
abnehme.«
»Wir galoppierten so dahin«, berichtete Hanse weiter,
»als ich einen Blick zur Seite warf und sah, daß einer der
Tejana mit einer Armbrust aus dem Lager gekommen war. Er kniete auf
der Erde und zielte auf mich. Ich muß zugeben, daß ich
mein Pferd nicht dazu bewegen konnte, die Richtung zu ändern.
Dann muß der Onager gehört haben, wie die Pferde vorbei
rasten. Er brach aus dem Wald hervor, blökte sein
›Iiihh-aaahhh‹ und rannte genau über den Mann hinweg,
der mich gerade erschießen wollte.«
Als das allgemeine laute Gelächter abgeebbt war, fügte
Hanse hinzu: »Deshalb muß er jetzt auch nicht mehr die
schwere Last schleppen. Er hat es sich verdient, leichteres
Gepäck zu tragen.«
»Das würde ich auch sagen. Du warst aber auch nicht
schlecht. Keine weiteren Schwierigkeiten?«
Hanse hob die Schultern und spreizte die
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