Diebeswelt Sonderband: Der dunkle Held
und ein L, wenn ich eins
höre.«
»Nein, Hanse, es ist ein E. Erst ein E, dann ein L. Das
klingt genauso. Jedenfalls ist die Reihenfolge der Namen E, E, L, P,
Freiraum, Th.« Sie sprach das Th lispelnd aus, wie in think.
»Ergibt das irgendein Wort?«
»Nicht daß ich wü… nein. Nein, das kann nicht
sein. Es gibt keinen Vokal zwischen P und T. Aber ich werde dir
trotzdem sagen, welcher Buchstabe unter anderem dazwischen liegt. Das
S.« Sie sagte das mit bedeutungsvollem Tonfall und blickte
bedeutungsvoll auf.
Er musterte sie. »Ssss«, sagte er und bewies ihr damit,
daß er wußte, wie ein S klang, wenn er eins hörte.
»In Ordnung. Ist das wichtig?«
»Ich hoffe nicht«, gab Mignureal zurück und wirkte
dabei unglücklich. »Es ist der erste Buchstabe von
Sinajhal.«
Hanse wirkte einen Augenblick lang betroffen, aber dann warf er
den Kopf in den Nacken und machte eine abwinkende Geste. »Warum
sollte er eine Liste mit sich herumschleppen, auf der sein eigener
Name steht – und dann auch noch an einer Stelle in der
Reihenfolge des Alphabets? Für mich sah er wie ein Kerl aus, der
seinen Namen an die erste Stelle setzen würde!«
»O Mist! Du fragst warum?, findest keine
vernünftige Antwort darauf und tust dann so, als sei die
Angelegenheit damit erledigt. So können wir nicht denken –
wir stehen vor einem Warum, was die Münzen angeht, einem Warum wegen Regenbogen und einem Warum wegen dieser
Liste, und…« Sie ließ den Rest des Satzes offen,
schüttelte den Kopf und breitete die Hände aus.
»Siehst du? Überall steht ein großes Warum!«
Sie blickten sich eine Weile trübselig an. Sie waren in etwas
verwickelt, das sie sich nicht erklären konnten, und
darüber waren sie nicht gerade glücklich. Hanse begann
resigniert, die Fundsachen vom Bett zu räumen.
»Findest du, es ist Zeit, ins Bett zu gehen?« wechselte
er das Thema.
»Ganz bestimmt.«
Wie die Neuankömmlinge bemerkten, war Firaqa anders als
Freistatt, als sie am nächsten Tag dem erfreulich leichten Weg
zum Basar folgten.
Aus der Bauweise der Gebäude und ihrer Dächer konnte man
gut auf das Klima und die Niederschlagsmenge, die Temperatur und die
Luftfeuchtigkeit schließen. Andererseits konnten solche
logischen Schlußfolgerungen auch durch so einfache Tatsachen
wie die Beschaffenheit der Umgebung und das dadurch vorhandene
Baumaterial verfälscht werden.
Wie in Freistatt hatten auch die Dächer in Firaqa ein starkes
Gefälle. Das deutete auf einen reichlichen Niederschlag hin.
Doch die Dächer hier unterschieden sich von denen in Freistatt
dadurch, daß sie meistens grün, blau oder gelb gestrichen
waren. Schon bald erfuhren Hanse und Mignureal, daß damit die
farbigen Dachziegel nachgeahmt werden sollten, die die wohlhabenderen
Firaqaner verwendeten und die die Dächer einiger Häuser in
diesem Stadtviertel zierten, die reichen Bürgern gehörten.
Das waren meistens große Wohn- oder Mietshäuser.
Die Dächer ragten über die Häuser hinaus und waren
ringsherum mit Regenrinnen versehen. Diese hatten ein klug
durchdachtes Gefälle, und unter den tiefsten Enden der meisten
standen Fässer, in denen das Regenwasser aufgefangen wurde.
Andere Regenrinnen mündeten in Schläuchen oder Röhren,
die in die Gebäude hinein führten. Auch das schien vom
Wohlstand der Besitzer oder in einigen Fällen von dem der Mieter
abzuhängen.
Auf jeden Fall standen in diesem Stadtviertel, das Die Tore
hieß, größere Gebäude und Häuser mit
fließendem Wasser einträchtig neben solchen, die nur
über eine Regentonne verfügten.
Hanse und Mignureal erfuhren, daß der Wald, durch den sie
gekommen waren, aus einem Grund, den heute niemand mehr wußte,
der Mädchenkopfwald genannt wurde. Er lag relativ nahe an der
Stadt und hatte früher noch viel näher gelegen. Doch durch
die fortwährende Rodung hatte sich das Farmland von Jahr zu Jahr
weiter nach Süden ausgebreitet. Viele der Gebäude, die die
beiden sahen, waren aus Holz erbaut und mit einer Art Mörtel
oder Stuck überzogen. Eine Menge bestanden aber auch aus Stein,
da nicht weit von hier im Nordosten ein großer Steinbruch lag,
der Rotstein hieß. Die Forstwirtschaft und der Steinbruch,
Zimmerei und Holzfällerei waren die hauptsächlichen
Erwerbszweige in der Umgebung.
Der Stein war allerdings nicht röter als Rotklee. Er war
rosa, und rosa waren auch die Steinhäuser. Da der Stuck meistens
gefärbt oder in einem gelblichbraunen Farbton getüncht war
und die Türen der Häuser oft blau,
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