Diebin der Nacht
dieser Seite herunter.
»Dann, bei Gott«, sagte er, »lass uns das Pferd gewinnen oder den Sattel verlieren. Ich hab es satt, so arm wie eine Kirchenmaus zu sein.«
Sparky nahm die Tonpfeife - ein universelles Zeichen der Armen - aus seinem Mund und hielt sie über den Tisch. »Vergiss doch irgendwelche stinkenden Affen. Ich träum davon, wie die feinen Pinkel aus einer Meerschaumpfeife zu rauchen. Und diese Hochzeit ist unsere große Chance. Wir gehn direkt zu Belloch und machen ihn begierig drauf zu erfahren, war wir so alles wissen.«
»Sei bloß still!«, warnte Lorenzo ihn. »Wir müssen vorsichtig sein bei ihm, der Mann hat ’nen guten Denkapparat im Kopf.«
»Daran gibt es keinen Zweifel. Dummköpfe werden nicht stinkreich, oder? Aber jeder Mann kann zum Dummkopf werden, wenn erst ’ne Frau mit im Spiel ist, die er liebt.«
Von seinem beengten Aussichtspunkt aus hatte Hush einen guten Blick auf Lorenzos glanzlose kleine Augen und seinen gewachsten Schnurrbart. Der Mann kippte ein halbes Bierglas in einem tiefen Zug hinunter und wischte sich dann den Schaum mit dem Handrücken ab.
»Das ist Schicksal, Sparky. Unsere Vorsehung. Das Glücksrad hat sich endlich zu unseren Gunsten gedreht.«
»Nun reißt du aber das Maul auf!«
»Du weißt doch, ich wollte schon immer Abteilungsleiter sein. Ich hab s schon immer in den Knochen gespürt, dass ich zu was Großem bestimmt bin. Die Frau denkt genauso; darum geht sie ja in die Kirche der Reichen, obwohl sie hinten stehn muss.«
»So läuft’s halt. Zum Teufel mit diesem Pokerspiel, bei dem nur Cents eingesetzt werden, was? Warum sollen wir uns die Buckel krumm machen, um fünfzig Dollar aus der Frau rauszupressen - Herrgott, Beiloch wird sie heiraten. Jetzt, wo das öffentlich bekannt ist, können wir ihm mit Ruinierung drohen.«
Hush war geschockt. Das ist doch nicht möglich! Mystere wird heiraten?
»Wir müssen irgendwie ein Treffen mit Belloch arrangieren«, sagte Lorenzo. »Wir müssen ihm klar machen, dass er mit seinem Geld unser Schweigen kaufen kann.«
Leider wurde Hush in keine weiteren Pläne eingeweiht, denn in diesem Moment zog ein Angestellter ihn aus seinem Versteck und gab ihm eine schallende Ohrfeige, bevor er den Jungen hinauswarf. Er hatte jedoch genug gehört, um zu erkennen, dass diese Männer Mystere großen Schaden zufügen wollten. Der Stich der Eifersucht, als er hörte, dass sie heiraten würde, war nichts gegen seine Angst um ihre Sicherheit.
Hush verschwand für einen Moment in einer dunklen Gasse, um das Geld aus der Brieftasche zu nehmen, die er gerade dem Mann gestohlen hatte, der ihn hinausgeworfen hatte. Nur drei Dollar, aber die könnten vielleicht Mystere helfen. Er hatte beschlossen, Rillieux zu trotzen, indem er das Meiste von dem, was er stahl, ihr übergeben würde - sie hatte es dringender nötig als der alte Mann.
Er warf die leere Brieftasche auf einen Müllhaufen und machte sich auf den Heimweg, während er versuchte, einen Plan auszutüfteln, um Mystere zu helfen. Er hatte nun vor, auf eigene Faust zu handeln, denn das arme Mädchen hatte in letzter Zeit so viel um die Ohren. Er hatte sie weinen sehen, als sie angenommen hatte, allein zu sein, und dieser Anblick hatte ihn mehr geschmerzt als irgendwelche Schläge. Genau das Gleiche war der Fall mit ihren kleinen, feinen Sorgenfältchen, die sich um ihren Mund herum zu bilden schienen.
Wie irgendjemand Vorhaben konnte ihr wehzutun, das überschritt sein Vorstellungsvermögen, denn sie war genauso lieb, wie sie schön war. Er liebte es, wenn sie ihm vorlas, ihre Stimme hatte für ihn den Klang von Engelsharfen. Wenn er in ihre blauen Augen schaute, fühlte er sich innerlich ganz komisch - als könnte er für sie eine ganze Nation erobern.
Er wollte sie heiraten. Warum konnte er nicht so reich sein wie Rafe Belloch, sodass sie stattdessen ihn lieben würde?
In seinen verborgensten Gedanken hallten jedoch Sparkys Worte wie die Bedrohung einer fernen Artillerie wider: Lass uns das Pferd gewinnen oder den Sattel verlieren. Diese Hochzeit ist unsere große Chance.
24
Am Dienstagmorgen rief Ward McCallister im Hause der Rillieux’ an, um anzukündigen, dass Mrs. Astor am kommenden Samstag in der Astor-Residenz eine Verlobungsgesellschaft für Rafe und Mystere geben würde.
Wie gewöhnlich, bemerkte Mystere in einem Anfall ohnmächtiger Verärgerung, hatte sie keinen höflichen Versuch unternommen nachzufragen, ob ihr dieser Termin überhaupt gelegen kam.
Weitere Kostenlose Bücher