Diebin der Nacht
genommen.«
Nachdem seine Fragen beantwortet waren, ließ er seine Wut explodieren. »Ich habe dir wiederholt befohlen, diese lächerliche Suche aufzugeben, ist es nicht so?«
»Ja, aber warum? Warum ärgert es dich überhaupt so sehr, dass ich nach meinem einzigen Blutsverwandten suche ?«
»Da fragst du noch, Mystere? Bist du verrückt geworden? Warum? Sag mir, wie viel Geld hat mich das schon gekostet?«
»Dich gekostet? Nur dich?«
»In Ordnung, die Familie gekostet, meine ich. Mystere, ich habe dich ausgebildet. Ich habe dich aus dieser Kakerlakengrube in der Jersey Street befreit und dir all dies hier gegeben. Und das sind ja wohl alles andere als Almosen! Schau dir doch an, wie du hier lebst, privilegiert, mit Dienern und-«
»Zu diesen Dienern zähle auch ich. Paul, selbst wenn du mit mir den ganzen Kontinent bereist hast, so hast du mich doch immer auch stehlen lassen. Rose macht dir dein Bett und muss trotzdem noch nach draußen, um als Taschendiebin zu arbeiten. Es sind unsere Bemühungen, die dir maßgeschneiderte Anzüge ermöglichen.«
Der Ton, in dem sie dies sagte, war jedoch beinahe sanft, denn ein neuer Verdacht hatte begonnen, in ihr zu nagen. Sie glaubte ihm seine Behauptung nicht, dass lediglich das verschwendete Geld hinter seiner Wut steckte. Sie fragte sich inzwischen, ob Paul nicht einen anderen Grund für seine Abneigung gegen ihre Suche nach Bram hatte. Ihre Neugierde, dies zu erfahren, machte sie weniger erpicht darauf, die Stadt schon jetzt zu verlassen.
»Paul, was weißt du von Bram, das du mir nicht erzählen willst?«
»Nichts«, schnauzte er sie an. »Außer, dass nur ein Narr gutes Geld ausgeben würde, um einen Mann zu suchen, der ziemlich wahrscheinlich schon lange tot ist.«
»Hast du Beweise dafür, dass Bram tot ist?«
»Beweise? Wir reden hier doch nicht von Jesus! Dein Bruder ist ohne Zweifel ein einfacher Matrose gewesen. Vor allem dann, wenn sie zum Dienst gezwungen werden, sterben einfache Matrosen oft ohne irgendeine Aufzeichnung dieses Ereignisses.«
Sie konnte nichts sagen, was dies hätte widerlegen können, und außerdem schien Paul unbedingt, das Thema wechseln zu wollen.
»Mystere«, fing er an, nachdem sein Gesicht inzwischen verbissen ruhig geworden war, »durch cleveres Management und unter großen, persönlichen Entbehrungen ist es mir gelungen, den vierteljährlichen Schein für meine - das heißt, für die Anlage der Familie zu bezahlen. Eine weitere Zahlung wird im November fällig. In der Zwischenzeit haben wir eine Menge zusätzlicher Ausgaben. Vor allem jetzt, da du verlobt bist.«
»Was bedeutet...?«
»Was bedeutet, dass es sich für Lady Moonlight als notwendig erweisen könnte, wieder in Aktion zu treten.«
Reflexartig schüttelte sie den Kopf.
»Denk Heber einen Moment lang nach«, redete er ihr gut zu. »Es fängt schon an, ein wenig verdächtig auszusehen.«
»Was denn?«
»Die nackten Tatsachen natürlich. Seit dem Moment, als deine Verlobung mit einem der wohlhabendsten Männer der Stadt bekannt gegeben wurde, gibt es keine Lady Moonlight mehr. Selbst die dummen Zeitungsschreiber können sich einen Reim darauf machen.«
Paul sah, dass seine Logik sie zumindest zum Nachdenken brachte. Sein Tonfall wurde sogar noch schmeichlerischer.
»Mystere, ich habe deinen schmerzerfüllten Gesichtsausdruck gesehen, als Evan dummerweise andeutete, Rafe beseitigen zu wollen. Du weißt doch, wie dieser Prahlhans gerne seinen Mund aufreißt; das kommt von diesen Draufgängern, mit denen er aufgewachsen ist.«
Mit seinen scheinbar aufrichtigen Versuchen, sie zu beruhigen, gelang es ihm jedoch nicht, ihre Zweifel zu beseitigen. Du lügst, dachte sie. Ich habe deine und Evans selbstgefällige Bemerkungen gehört, und ich weiß, dass du vorhast, Rafe zu töten.
»Es wird keine Notwenigkeit geben, Gewalt auszuüben, in welcher Form auch immer«, fuhr er fort, »wenn Rafe dir gegenüber großzügig und zuvorkommend sein wird, finanziell gesehen, meine ich. Du musst ihn dir lediglich in einem ... intimen und persönlichen Moment einfangen. Du weißt schon, erwähne, wie verteufelt hoch die Ausgaben werden, diese Art von Dinge.«
»Und wenn er nicht zuvorkommend sein wird?«
Paul zuckte mit den Schultern und warf ihr einen unbarmherzigen Blick zu, der ihr kalt den Rücken hinunterlief. »Er wird schon«, war alles, was er ihr zur Antwort gab.
»Nehmen wir mal an, es liegt nicht an ihm«, forderte sie ihn heraus. »Was ist, wenn ich mich weigere
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